Gustav Mahler arbeitete gewöhnlich an mehreren Kompositionen gleichzeitig. Im Hauptberuf musikalischer Direktor der Wiener Hofoper blieben ihm zu dieser Zeit nur die Sommermonate zum kreativen Schaffen. In Maiernigg am Ufer des Wörthersees beendete er im abgeschiedenen Refugium seines Komponierhäuschens im Sommer 1904 seine Sechste Symphonie und begann mit der Komposition der Siebten, zwei Werken, wie sie gegensätzlicher im Charakter nicht sein könnten. Nach der tragischen Sechsten mit dem niederschmetternden Hammerschlag im deprimierenden Finale folgte ein Werk, das in seiner Grundhaltung von skurrilen Phantasien ebenso wie von freudiger Erregung geprägt ist. Es gab aber immer wieder Interpreten, die gerade den Ausdruck des Positiven nicht recht glauben wollten, sahen sie doch in Mahler hauptsächlich den Skeptiker und hörten vor allem die ironischen, ja sarkastischen Untertöne in seiner Musik.
Diese finden sich auch in der Siebten, sind aber bei weitem nicht so bitter und scharf wie an anderen Stellen in Mahlers Symphonik. Unbekümmert allen Exegetenstreits, ließ die Interpretation durch Mariss Jansons mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nun das Werk ganz allein, ohne Zuspitzungen und subjektive Zutaten sprechen und eröffnete umso mehr weite Räume für Assoziationen, welche diese Musik hervorruft, wenn man sie so brillant gespielt hört, wie es an diesem Abend der Fall war. Und die Hamburger Elbphilharmonie war dafür der denkbar geeignetste Saal. Denn die transparente Akustik unterstützte jedes Detail und gab dem Klang Körper und Fülle.
Schon das Solo des Tenorhorns mit der die Einleitung des ersten Satzes bestimmenden Melodie hob sich so plastisch aus dem Grund des übrigen Orchesters hervor, dass daraus eine neue, eigene Klangdimension erwuchs. Musik wurde gleichsam zum Raum. Dies gelang immer wieder auch bei den kleinsten Solostellen, wenn einzelne Instrumente wie Nachschläge oder Echos im kollektiven Geschehen des Orchester dazwischenriefen oder einen Gedanken fortsetzten, zuspitzten oder abrundeten. Oder wenn Dialoge von Einzelinstrumenten sich als Ruf und Gegenruf wie Echos entwickelten, wie die sich abwechselnden Hörnermelodien zu Beginn des zweiten Satzes, bei denen die Antworten von außerhalb des Saales herklangen.
Mahlers Symphonie ist unglaublich reichhaltig an Klangfarben. Reizte der Komponist als Praktiker überhaupt schon die Möglichkeiten der einzelnen Instrumente bis zum Äußersten aus, so reichten ihm die Klänge des überlieferten Orchesterapparats nicht, um bestimmte Wirkungen zu erzielen. Im zweiten Satz bimmeln plötzlich Herdenglocken in die etwas diffuse Stimmung dieses Andante. Man fühlt sich auf einmal in eine andere Welt jenseits aller Geschäftigkeit versetzt. Und hier klang diese Stelle wirklich wie eine Oase von Stille und Abgeschiedenheit, als die Glocken von fern aus den Foyers hereinklangen. Oder das Vogelkonzert im selben Satz, bei dem die Holzbläser das schönste Gezwitscher in den Raum zauberten, wie es Mahler vielleicht in seinem Häuschen am Wald im Moment der Komposition selbst erlebt haben mag.