Mahlers Adagietto aus seiner Fünften Symphonie ist heute dank der Visconti Verfilmung von Thomas Manns Tod in Venedig wohl eine seiner bekanntesten Kompositionen; entstanden aber ist es 1901 als ein musikalischer Liebesbrief an seine Frau Alma, die er im November kennengelernt hatte. Im März 1902 heirateten die beiden und im August spielte Mahler Alma die vollendete Symphonie am Klavier vor.
„Meine Fünfte Sinfonie ist ein verfluchtes Werk. Niemand kapiert sie”, notierte Gustav Mahler 1905 frustriert nach der ersten Aufführung in Hamburg. Schon die Uraufführung in Köln 5 Monate davor hatte nicht den gewünschten Erfolg und so veränderte Mahler sein vielleicht persönlichstes Werk immer wieder bis hin zu seinem frühen Tod 1911.
Klangfülle, Leidenschaft und starke Kontraste – die Musiker der Wiener Symphoniker unter der begeisternden Leitung von Omer Meir Wellber wuchsen beim letzten Konzert ihrer Europatournee in Amsterdam über sich hinaus. Jede*r einzelne von ihnen spielte seine Orchesterstimme mit höchster Virtuosität und Intensität. Schon das berühmte Trompetensignal zu Anfang des Trauermarsch ließ dank seiner klaren Sachlichkeit aufhorchen. Im darauf folgenden Stürmisch bewegt, mit größter Vehemenz waren es vor allem die Streicher die Meir Wellbers sorgsam gestikulierte Anweisungen perfekt umsetzten und das Wechselbad von irrsinnig leidenschaftlichen und sich gegenseitig verstärkenden Gefühlen musikalisch auskosteten. Das Scherzo war voll ausgelassener Stimmung, ironischen Zitaten und immer wieder aufblitzendem, nur zaghaft überdecktem Schmerz, am grimmigsten zur Schau gestellt im bitteren Wiener Walzer des ersten Trios. Nach diesem Gewaltritt nahm Meir Wellber eine kurze Pause, bevor er im allerzartesten Pianissimo den langsamen Satz Adagietto anhob. Musiker und Publikum hatten sich diese unvorhergesehene Sternstunde mehr als verdient und vergaßen Raum und Zeit. Die abschließende Rondo-Fuge ist mit seinen Chorälen und vielfältigen kontrapunktischen Höchstleistungen eine einzige wahnwitzige Ode an Bach und in dessen Sinne Mahlers musikalisches Glaubensbekenntnis.