Aller guten Dinge sind drei, so eine Prophezeiung. Nach dem allerorten wahrgenommenen Bayreuther Tannhäuser-Wagnis und seiner Beinahe-Extrem-Revolution im Revier des 2013er Parsifals, sollte sich Thomas Hengelbrock nun mit seinem dritten Wagner-Projekt, dem Rheingold, erneut im Konzerthaus Dortmund vorstellen. Nicht mit seinen Balthasar-Neumann-Ensembles auf (extra nachgebauten) historischen Instrumenten, sondern diesmal mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester. Doch realisierte sich der Eingangsspruch für ihn leider nicht. Denn als Hengelbrock Anfang Mai erkrankt war, musste er die Leitung wegen des nicht einzuhaltenden Zeitplans schließlich Marek Janowski übertragen. Ein glücklicher Zufall, dass der Pultveteran zur Verfügung stand und damit vor seiner letztjährigen Rheingold-Wiederholung eine Premiere zu seinem kommenden Bayreuther Ring-Auftakter absolvierte sowie seinem Wunsch folgen konnte, bei einer gut besetzten konzertanten Oper sofort zugreifen zu wollen.
Und ja, gut, teilweise hervorragend formiert waren gerade Solistencrew und Orchester, mit denen Janowski nach Dortmund kam. Für ihn ein Heimspiel, was man schon am Begrüßungsapplaus vernehmen konnte. Im Großen und Ganzen gelang ihm damit die Umsetzung seiner gewollten „Vokalpraktikabilität“, die bei Wagner des Öfteren unter die Räder kommt. Auch wenn es dennoch einige Stellen des dynamischen Überdeckens der Solisten gab, verhinderte er ein (von Wagner gehasstes) Permanent-Schreien der Sänger und setzte seine Solisten – hinter dem Orchester platziert – vielfach, aber mit den musikalischen Deutlichkeitsausnahmen Fricka und Freia, zugunsten des Textes und Ausdrucks in Szene. Dabei waren alle den Anforderungen gewachsen, voran ein fulminanter Michael Volle als Wotan.
Beeindruckend, mit welch einer Stärke er den Raum ergriff, gewonnen aus einer scheinbaren Leichtigkeit der Routine und der befreienden konzertanten Konzentration: ungekünstelt, die anderen beherrschend, vordergründung mystisch erhaben, aber wahrlich rücksichtslos, engstirnig und entschlossen in seiner Machtgier. Beispielhaft expressiv und kernig phrasiert gelang dies im Streit mit den Riesen und der genüsslichen Gefangennahme Alberichs, in der er keinen Zweifel an seinem Verständnis aufkommen lässt, bis er in seiner genauso gekonnten widerwilligen Einsicht vor der Fluch-Blindheit von Erda eingezäumt wird. In Nadine Weissmann hatte Volle ein stimmlich würdiges und in deklamatorischer Klarheit glaubwürdiges Pendant, die vom rechten oberen Rang über den (Über-)Dingen stehend ihre Rolle weise und nicht ausladend in Referenzqualität ausfüllte.
Ereilte Johannes Martin Kränzle als listiger Zwerg Alberich zu Beginn der Erzählung und bei der Vorstellung seines Jochs ab und zu der instrumentale Regelungsvorschub, quoll seine Herausstellung vor allem in seiner direkten Gegenspieler-Konfrontation zu Wotan auf, sowohl in der phrasierten Machtdemonstration des Tarnhelms als auch der Ring-Verfluchung. Mit seiner baritonalen und geschickt austarierten Gelenkigkeit aus Schärfe, Biss und Lyrik-Blitzern gebährte er sich treffend als größenwahnsinniger, schäbiger, übermächtiger, Teflon-Herrscher mit vernebeltem Übermut. Daniel Behle bestach als gehilfend-wissender, eifriger, geschickter Entzauberungs- und Listmeister Loge mit der griffigsten Artikulation im Sprech-Gesangs-Mix. Ob schnelles, wortbetontes Parlando oder weich-gütliche oder weit-aufgeladene Tenor-Vokalität, alles passte, wenn speziell hier noch größere Acht auf die Durchsetzung bei brausendem Orchesterschwall gelegt worden wäre.