Für sein jüngstes Konzert mit den Berliner Philharmonikern stellte Daniele Gatti drei Werke zusammen, die durch das Thema „Verklärung“ miteinander verbunden sind. Dabei ließ er den Abend mit der Musik enden, ohne die weder Arnold Schönberg seine Verklärte Nacht noch Richard Strauss seine Tondichtung Tod und Verklärung geschrieben hätten: Vorspiel und Isoldes Verklärung aus Tristan und Isolde von Richard Wagner.

Gatti erläuterte einmal, dass er bei bekannteren Werken stets das herauszuholen versucht, was in anderen Aufführungen nicht zu hören ist. In seiner Aufführung der Verklärten Nacht stach ein geradezu rhetorischer Ansatz hervor, der mir so stimmig wohl noch nicht zu Ohren gekommen ist. Gatti betörte das Publikum nicht mit Klangrausch oder kehrte die Exzentrizitäten der Partitur hervor, sondern brachte die berührende Geschichte von Ausbruch und Verzeihung wie eine musikalische Erzählung zu Gehör. Die Klage der Frau wurde derart beredt musiziert, dass man nicht allein auf das Hauptthema die Worte Richard Dehmels hätte deklamieren können, sondern den Eindruck gewann, dass alle Themen und Motive eindringlich instrumental gesprochen wurden. Fein abgestuft wurden die Verzögerungen und Beschleunigungen so, wie sich die Stimme erhebt und senkt. In der Antwort des Mannes erklangen die aufgebrachten Themen der Klage in besänftigten Tönen, und es gelang, die Verschränkung zweier Themen als die Umarmung des wiedervereinten Paares zum Klingen zu bringen. Am Ende hatte das Hauptthema allen Schmerz verloren.
In der Interpretation von Richard Strauss’ Tod und Verklärung gelangen die vorbereitenden, zurückgenommenen Passagenüberzeugender als die, in der die Verklärung mitunter fast gewaltsam durchzusetzen war. Zu Beginn hielt Gatti alles in der Schwebe und ließ die Solisten ihre berückenden Soli vortragen. Das Hauptthema des Erwachten klang fast ruppig gespielt und der Tumult der daran angeschlossenen Durchführung der Motive geriet fast lärmend. So gelang es Gattis aber mit seiner gestrengen Orchester-Regie, das „Ideal-Thema“ in seinem Schönklang vom Rest der Tondichtung abzusetzen. Zweimal ließ er es wie eine Vision aufleuchten. Zu der eigentlichen Verklärung kam es erst in der Coda, worauf Gatti mit aller Ruhe hinsteuerte. Wie aus nebelhafter Ferne ließ er das Orchester das Thema aufsteigen. Mir persönlich wäre es lieber gewesen, Strauss hätte es bei dieser Pianissimo-Gestalt gelassen, so aber musste das Orchester noch einmal das Thema im dreifachen forte auftrumpfen lassen, bis die Musik in aller Ruhe und wie zu sich selbst gekommen ausklingen durfte.
Beschlossen wurde das Konzert mit Anfang und Ende von Wagners Tristan und Isolde. Im Vorspiel überzeugte Gatti nicht allein darin, stets die Trennschärfe zwischen Haupt- und Nebenstimme zu bewahren, sondern vor allem die Entwicklung nachzuvollziehen, die das berühmteste Akkordpaar der Musikgeschichte in diesem Vorspiel durchläuft. Mann kann diese Steigerung kaum orgiastischer musizieren und machtvoll im Tristan-Akkord des ganzen Orchesters sich entladen lassen. Die Motive zerbröckelten bis vom Tristan-Akkord am Ende allein noch ein paar gezupfte Basstöne übrig geblieben waren. Wagner hat nicht von „Isoldes Liebestod”, sondern von ihrer „Liebes-Verklärung“ gesprochen. Gatti und die Philharmoniker brachten Isoldes „Wunschpsychose“ zum Klingen, in der sie nicht stirbt, sondern sich dem Tode hingibt. Gatti ließ ein langes Crescendo musizieren, bis am Ende das Akkordpaar in einen Durdreiklang geführt wird, der in seiner ganzen Pracht zu hören war.