Von der Salzach nach Wien: das Belcea Quartet nahm die Salzburger Festspielgäste mit auf eine kleine Reise zur Wiener Säulengasse. Dort wohnte um 1813 die Familie Schubert, die im Familien- und Freundeskreis bei Hausmusik-Abenden begeistert die Saiten strich, darunter der sechzehnjährige Franz an der Bratsche. Neben Haydn und Mozart lagen da auch Werke des jungen Schubert auf den Pulten, so das Streichquartett Nr.10 Es-Dur, das erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde und daher die irreführend hohe Opuszahl 125 bekam.
Es war nicht nur eine musikalische Reise zu Kunstmetropolen des 19. Jahrhunderts. Weltumfassend ist auch das Belcea Quartet aufgestellt, 1994 in London von der rumänischen Geigerin Corina Belcea gegründet; dazu gehören auch Krzysztof Chorzelski aus Polen an der Viola; aus Frankreich stammt der Cellist Antoine Lederlin. In Salzburg vertrat Suyeon Kang, in Südkorea geboren und derzeit Konzertmeisterin der Kammerakademie Potsdam, den erkrankten zweiten Geiger Axel Schacher. Das Quartett hatte an diesem Abend bewusst frühe Kompositionen von Schubert, Dvořák und Debussy ins Programm genommen, die mancher als „Frühwerke“ in eine weniger attraktive Liga verschieben könnte.
Dass dies völlig absurd wäre, zeigte bereits der Einstieg mit Franz Schuberts Es-Dur-Quartett, das er eigentlich bereits in der Mitte seines kurzen Lebens schrieb. Selbst wenn die Prägung durch seine Vorbilder herauszuhören ist, zeigt sein selbstbewusster Umgang mit den musikalischen Formen die Stilreife eines souveränen Tonschöpfers. Egal ob im motivisch fragend, lyrisch einsetzenden Kopfsatz, dem mit herausfordernden Vorausschlägen loseilenden Scherzo, im andächtig sanglichen Adagio oder im springlebendigen Finale, in dem man den romantischen Überschwang eines Dvořák vorausahnen könnte: jeder Satz steht in Es-Dur, hat anfangs die Tonfolge Es-F-G in der Ersten Geige. Damit schnürte Schubert ein zusammenhängendes Kompositionspaket, wie er es auch in seinen späteren Kammermusikwerken immer wieder anwenden wird.
So konnte man lustvoll erleben, in welch eminent kultiviertem und homogenem Ton das Belcea Quartet Schuberts kammermusikalische Stimmungen mit delikatem Genuss zelebrierte. Corina Belcea lebte die ariosen Violinsoli liebevoll aus, entwickelte in hoher Lage ergreifende innere Ruhe. Faszinierend, wie alle dann in gleichem fokussierten Blick in entspannenden Hälften einer Melodielinie ebenso detailliert kleinste Klangnuancen ziselierten, wie Zuckerbäcker mit ihren Spritztüten verführerische Miniaturen kreierten. In manchem Rallentando glaubte man zu erleben, wie selbst die Zeitmesser erschrocken ihr Ticken zurückhielten. Neben der Primaria brachte sich dann immer wieder Krzysztof Chorzelski an der Bratsche mit energiereichen Wendungen ins Ensemblespiel, das dabei wie von einem einzigen, kostbaren Instrument auszufließen schien.