Es gibt wohl wenige Musiker, die das Werk Beethovens so umfangreich studiert haben, wie Daniel Barenboim. Ganz egal, ob es sich dabei um die Symphonien, Klaviersonaten oder kammermusikalischen Werke handelt. Kurz vor seinem 75. Geburtstag stattete der Grandseigneur der Münchner Philharmonie einen Besuch ab und hatte Beethovens Fünftes Klavierkonzert mit im Gepäck, das nicht umsonst im angloamerikanischen Sprachraum den Beinamen „Emperor“ trägt. Gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung ihres Chefdirigenten Mariss Jansons präsentierte Barenboim eine Interpretation des Klavierkonzerts, die die technische Perfektion jüngeren Kollegen überließ und vielmehr seine Erfahrung und sein tiefes musikalisches Verständnis zur Schau stellte.
Barenboim zeigte sich vor allem in den lyrischen Passagen des Kopfsatzes als Erzähler mit klarem, kraftvollen Ton, der ohne Sentimentalität die Bedeutung jeder Phrase bereits durchdacht zu haben schien. Dieses Verständnis äußerte sich zum Beispiel im Adagio, das mit der Ruhe und Innigkeit, die Barenboim dem Satz verlieh, seinesgleichen suchte. Nicht nur der Ton, den er dabei traf, sondern auch die Überlegtheit, die die Phrasen bekamen, entwickelte die lyrische Kraft und emotionale Schönheit des Satzes. Gleichzeitig wirkte der Satz aber auch sehr reduziert, fast nüchtern und sehr auf das Wesentliche bedacht. Das Thema des Finalsatzes schoss anschließend in scharfem Kontrast und mit leidenschaftlichen Akzenten hervor.
Obwohl Barenboim und die Symphoniker das Klavierkonzert in nicht allzu zügigem Tempo interpretierten, schaffte es Jansons, das Orchester zu einer energetischen und spielfreudigen Begleitung anzuspornen. Barenboim gelang dabei sicherlich nicht die perfekte Interpretation des Klavierkonzerts, gleichzeitig zeigte sich aber, dass Perfektion nicht unmittelbar der Maßstab für Musik sein kann, sondern viel mehr von Emotion und dem Mut zum Außergewöhnlichen getrieben wird. In diesem Sinne entpuppte sich Barenboims Interpretation als spannende Hommage an die große Kunst. Für den Begeisterungssturm des Münchner Publikums bedankte sich Barenboim mit Claire de Lune, das als kontrastreiche Pianominiatur magisch wirkte.