Bei ihrem Gastspiel in Wiener Musikverein präsentierten Andris Nelsons und das Gewandhausorchester Leipzig ausschließlich Werke Tschaikowskys. Dabei stand nicht nur Unbekanntes auf dem Programm, sondern auch die allseits bekannte Pathetique in einer fesselnden Darbietung.
Bei Voevoda war nicht unbedingt der Pultvirtuose, sondern der Geschichtenerzähler Nelsons gefragt, galt es doch, eine symphonische Ballade ohne Worte zum Klingen zu bringen. Paukenschläge eröffneten die tönende Kulisse. In das Streicherkontinuum ließ Nelsons ein Pferd hinein galoppieren, brachte aber mehr die pulsierende Rastlosigkeit des Reiters zu Gehör, als einen zielstrebigen Ritt und in der Bassklarinette klagte „quasi parlando“, mal flüsternd, mal zornig, der Heerführer. Diese düstere Atmosphäre blendete Nelsons wie im Filmschnitt ab und wechselte in eine fahle Idylle, bis er die Streicher in vertrackter Rhythmik auf eine Fermate führte. Nach dieser Zäsur musikalisierten abgehackte Motive den windschiefen Dialog der beiden Männer, bevor ein alles zerberstender Tuttischlag den sein Ziel verfehlenden Schuss in den Saal hämmerte. In dunklen Klängen ließ Nelsons die Ballade mit dem für das Gewandhausorchester so charakteristischen satten Streicherklang unversöhnlich schließen.
Mit der Fantasie-Ouvertüre Hamlet folgte ein weiteres hierzulande recht unbekanntes Werk. Die einleitende Idée fixe ließ Nelsons nicht allein dunkel über dem Stück lasten, sondern auch als Wegweiser fungieren, der durch die frei komponierte Partitur leitete. Dass Hamlet in diesem Stück weniger als Grübler auftritt, sondern als ein auf Rache Ausgerichteter, wurde schon am Hauptthema deutlich, das mit seinen doppelten Punktierungen in den Streichern wie ein Geschwindmarsch durch den Saal fegte. Zwölf gestopfte Hörnerklänge kündigten zur Mitternacht die Geistererscheinung an, die durch die Aufwertung der tiefen Streicherstimmen als Klangfundament regelrecht in den Tönen sichtbar wurde. Berührend schön trug die Oboe Ophelias fast verschüchtertes Thema vor, mehr verzweifelt als von Sehnsucht getragen. Ein furchterregendes Crescendo führte auf ein fünffaches Forte, das den Axthieb vertont, mit dem Hamlet Claudius niederschlägt. Der abschließende Trauermarsch glich der Tonmalerei eines Leichenfeldes – „Der Rest ist Schweigen“ mochte man dazu assoziiert haben.