Auch wenn einem die Tage des Lockdowns langsam auf die Nerven gehen und man manchmal etwas verzweifelt versucht, das Beste daraus zu machen, ist unbestritten erfreulich, dass es zahlreiche Livestreams gibt, in denen Musiker ihrer Profession nachgehen, die Leidenschaft mit dem Publikum teilen möchten und für seelischen wie kulturellen Ausgleich sorgen. Außerdem gelangt man über die weltweit verstreuten Angebote – erstmal nur virtuell, aber immerhin – an Orte und zu Ensembles, in dessen Genuss ansonsten nicht so einfach zu kommen ist. Einer und eines davon ist Toronto mit seinem Tafelmusik Baroque Orchestra. Sein künstlerischer Leiter, die Violinistin Elisa Citterio, hat für das aufgezeichnete Online-Konzert ein Programm im Umschlag von Renaissance und Frühbarock in vornehmlich Norditalien ab 1600 zusammengestellt, das mit seinen nicht weniger als fünfzehn Sonaten, Ciacconen, Passacaglien und Liedern, insbesondere den illuster verbreiteten Volksweisen La Monica und La Bergamasca, als absoluter Stimmungsaufheller dient.
Improvisation, konzertierende Spielfreude und Affekt sind die Stichwörter für den umfassend wissenschaftlichen, musikalischen und damit menschlichen Seicento-Aufbruch, der neben von Monteverdi durch seine geschätzten Kollegen sowie teilweise Mitarbeiter oder Nachfolger geprägt wurde und denen mit Werken von Kapsberger, Marini, Castello, Uccelini, Falconieri, Cazzati, Gabrielli, Piccinini und Trabaci der Abend aus Kanada gewidmet war. Den Anfang machte Maurizio Cazzatis Basso-ostinato-Variation dieser stets so erfrischenden und sich nach wie vor größter Beliebtheit erfreuenden rhythmischen Follien, die – ich nehme es vorweg, denn beim Schreiben komme ich aus dem Strahlen sowie dem Kreisen des Oberkörpers und der Hüften gar nicht heraus – ein derartig wildes Spektakel von fulminantem Repetieren und elektrisierender Diminution garantierten, dass man bereits danach direkt auf Endlosschleife stellen wollte. Auch der Kontrast, der mit vollerem Ensemble und Giovanni Girolamo Kapsbergers sehr edlen, würdevollen und weicher zelebrierten Sinfonia XVII einzog, zauberte breites Lächeln ins Gesicht, bewahrte sich die Ausführung unter Citterio einen durchgehenden Swing und eine Bogenbetonung und Phrasierung, die Ausdruck eines leichtgängig wie zugkräftig beherrschten Sich-fallen-lassens darstellte. Nach dem intimeren Canario für Theorbe und Cembalo sprühte die Geigerin in Kapsbergers XIII. Sinfonia vor Energie, Brillanz, Wagemut und Exzentrik, vor der es kein Entkommen gab.