Man hört es immer wieder: alles ist nicht mehr das, was es mal war. Auch das Alter, das ist längst nicht mehr schick – und doch ist man sich dem unschätzbaren Wert der Erfahrung, die ein gewisses Alter mit sich bringt, wohl bewusst. So sieht man gerade in jüngster Zeit häufig die erfahrensten Künstler auf allen Bühnen, so auch in einem sagenhaften Konzert des Wiener KammerOrchesters im Konzerthaus mit dem mittlerweile 92-jährige Sir Neville Marriner.
Zur Eröffnung des Konzertes erklang ein besonderes Schmankerl, wie man in Wien so schön sagt, die Ouvertüre zu Christoph Willibald Glucks Iphigénie en Aulide, die leider ein seltener Gast in Konzerten ist. Ganz delikat gestaltete Marriner den Beginn und das Wiener KammerOrchester folgte, ließ sich ganz auf ihn ein; das quasi fugato der Streicher formte sich im Wechselspiel mit den Bläsern zum feingliedrigen Klanggewebe, das plötzlich durch die Sechzehntelfigur zum Beginn des Grave durchbrochen wurde. Marriner wollte allerdings nicht beim Grave bleiben, sondern trieb sogleich an, worauf das Orchester nicht so geschwind folgen konnte. Dennoch: die Ouvertüre gelang sehr überzeugend, was nicht zuletzt an Marriners feiner Tempo-Abstimmung lag.
Mittelstück vor der Pause war das Klavierkonzert in A-Dur (KV 385p) von Wolfgang Amadé Mozart . Hier demonstrierten sowohl Solist Lars Vogt als auch das Wiener KammerOrchester, wie differenziert in Agogik und Dynamik ein Mozart gespielt werden kann. Richtig aufblühen konnte dabei das Orchester im zweiten Satz, der Variationen über ein Thema von Johann Christian Bach darstellt. Die kontrapunktische Ausführung durch Mozart kam hier an diesem Abend besonders zur Geltung, was vor allem den Bassstimmen zu verdanken ist, die ihre Passagen mit dem nötigen Schmelz versahen. Lars Vogt musizierte souverän und bescherte veritablen Konzertgenuss. Aufführungen von Instrumentalkonzerten werfen bei mir jedoch immer wieder die Frage auf, warum zwingend die Kadenzen von Mozart selbst gespielt werden. In Zeiten der historischen Aufführungspraxis wäre es erfrischend schön, wenn an Stelle der cadenza eine künstlereigene Improvisation zu hören wäre und kein braves Etüdenspiel.