Die Huldigung Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen, BWV215, Bachs weltliche Kantate im Rahmen einer Abendmusik zum ganz kurzfristig anberaumten Besuch des Kurfürsten und Polenkönigs August III. anlässlich dessen „Inthronisations“-Jahrestags, sollte nach den zuvor siegreichen Kriegsauseinandersetzungen nach dem Tod vom „starken“ Landes-Vater nicht nur Jahre später mit der Besetzung Preußens keinen Bestand mehr haben, sondern nach der Aufführung am 05. Oktober 1734 das schlimmste Ende finden. Für Gottfried Reiche, den Leipziger Stadtpfeifer und Ersten Ratstrompeter; und in der Konsequenz auch für Bach. Denn der Stolz der Stadt und Bachs, der für ihn und wegen seines außergewöhnlich virtuosen Könnens anspruchvollste Partien schrieb, sollte das Konzert mit seinem Leben bezahlen.
Als der sächsische Regent aus Dresden zum Ehrenakt rief, durfte also Reiche nicht fehlen – mittlerweile 67 Jahre alt und damit nicht nur in offizieller Bezeichnung als „Senior Pfeiffer und Stadtmusicus“ der älteste Spieler im sonst überwiegend studentischen Collegium musicum. Alles war bereitet: Empfang, prunkvolle Noten in typisch voller Besetzung und das Ambiente vor dem Apelschen Hause am Leipziger Markt, dem „Königshaus“, in dem August standesgemäß logierte. Nämlich ein Fackelzug bestehend aus 600 Eingeschriebenen der Universität. Welch Verhängnis, hatte Reiche sich schon aufgrund der Clarin-Blasanforderungen in stressiger Kürze der Zeit in Verbindung mit Alter und vielleicht eines Unwohlseins im Anmarsch ziemlich verausgabt, zu der dann die ihm zusetzenden Rauchemissionen kamen! Es war mittlerweile der 06. Oktober nach Abschluss der Gedenkfestlichkeiten geworden, da wollte sich Reiche zurück zu seinem Haus im Stadtpfeiffergäßgen begeben, als ihn der Schlag traf. Am Tag darauf hätte übrigens die Geburtstagskantate für August angestanden, Schleicht, spielende Wellen, und murmelt gelinde!, BWV206, die Bach – noch nicht ganz fertig, als er eilig BWV205 schreiben musste – auf 1736 verschob (Hörbeispiel 2).
Texinhaltlich kann ich es für die Worte zur eigentlichen Gestaltung der Kantate getrost bei Titel und eingänglichem Lob auf den Herrscher mit historischen und aktuellen staatspolitischen Einflechtungen bewenden lassen. Und fast auch beim Chor zu Beginn Bachs so insgesamt glänzend schmissiger Musik mit seinen zugewiesenen Instrumenten und Stimmen für Adel, Feier, Protz und nachdenklicherer Wünschlichkeit, der Ihnen – wie die Sopranarie „Durch die von Eifer entlammeten Waffen“ danach – bekannt vorkommen dürfte. Es ist im ersten Part das achtstimmige „Osanna“ der h-Moll-Messe nach dem Sanctus, das Bach als erste Sequenz 1724 für eine übliche Verwendung an Weihnachten komponiert hatte, ehe er es – nach Veränderungen 1743 bis 1748 – in sein größtes Lebenswerk, just wohl für Dresden, inkludierte.
Danach folgen, eingeleitet von expressiven Rezitativen, drei Arien für Tenor, Bass und Sopran, wobei vor allem die furiosen „Freilich trotzt Augustus' Name“ und „Rase nur, verwegner Schwarm“ verdeutlichen, wie Bach – stünde in § 7 seines Thomas-Vertrags nicht, dass seine Musik „nicht zu opernhaftig beschaffen seyn“ dürfe – auch gerne komponierte; so im weltlich frönenden Opernstil, dass man sich erhoffte, er hätte wirklich eine geschrieben. Immerhin tragen einige seiner weltlichen Kantaten die Bezeichnung „Dramma per musica“. Angesprochene Sopranarie gefiel ihm im dagegen wieder besungenen rhetorischen Kirchenstil so gut und praktikabel, dass er sie kurz darauf in der Kantate des Weihnachtsoratoriums – dann für Bass gesetzt – wiederverwertete. Im Rezitativ zum Schlusschor müssen alle drei Solisten mit unterschiedlichen Orchesterinstrumenteneinwürfen parat stehen, ehe versammelte Jubelgemeinschaft im Ganzen andächtig und prächtig „Stifter der Reiche, Beherrscher der Kronen“ zum Ausklang mit unabgesehenen Folgen für eben Herrn Reiche intoniert.