Bis vor kurzem nannte sich Zürich „kleine Großstadt“ und deutete an, dass die Stadt alle Freundlichkeit und Offenheit einer Kleinstadt wie auch den kosmopolitischen Reiz einer großen Metropole besitzt. Mit fortschreitendem Bauboom allerdings verlor sich dieser Slogan.

Das Kleinstadt-Flair ist jedoch in der malerischen Gegend Lindenhof noch vorhanden, die sich über der Limmat und einiger Gildenhäuser an ihrem Ufer befindet und einen prächtigen Blick auf den Zürcher See und die Alpen dahinter bietet. Der Lindenhof ist und bleibt ein ruhiger Ort, um ein schattiges Päuschen zu machen, obwohl er nur Minuten von der geschäftigen Bahnhofstraße entfernt liegt, der kommerziellen Aorta Zürichs, auf der viele Bänker von einem Termin zum nächsten eilen.

Zürichs Konzertbesucher empfängt ein breit gefächertes Angebot von höchster Qualität, und eines nur einen Steinwurf vom anderen entfernt. Das erste der beiden großen Konzerthäuser ist die Tonhalle. Nach 19 Jahren unter David Zinman wurde der Taktstock des Chefdirigenten vor zwei Jahren an den jungen französischen Dirigenten Lionel Bringuier weitergereicht, der französischem Repertoire verdiente Aufmerksamkeit geschenkt hat. Die Mitglieder des Tonhalle-Orchesters stammen aus vielen Nationen und formen doch ein harmonisches und mitreißendes Ganzes.

Das Gebäude aus dem Jahr 1895 ist eine Augenweide, wird jedoch bald einer großangelegten Renovierung unterzogen und am gleichen Ort am Seeufer erst in vier Jahren wieder seine Türen öffnen. In der Zwischenzeit werden Proben und Konzerte im historisch industriellen, aber jetzt trendigen westlichen Zentrum der Stadt gehalten.

Neben der Tonhalle und nur auf der anderen Seite der Seebrücke wetteifert das Opernhaus Zürich gleichermaßen um Aufmerksamkeit. 1891 erbaut, sieht es wie eine kleine Schwester der anderen großen Damen ihrer Art aus. Das Haus beheimatet zwei Orchesterformationen: die Philharmonia Zürich und das Barockorchester La Scintilla, das kürzlich mit Händels Orlando die Wände wackeln ließ. Als Generalmusikdirektor führt Fabio Luisi dort einige der größten internationalen Stars.

Das Opernhaus ist ebenso Heimat des Zürcher Balletts, das unter der künstlerischen Leitung von Choreograph Christian Spuck tanzt. Eine gesunde Mischung aus traditionellen und modernen Werken hat ein jüngeres Publikum angelockt, das die Entstehung von Insider-Touren beobachtet hat, Einführungen und Tag der offenen Tür-Veranstaltungen – zum Beispiel eine jährliche Opernübertragung unter freiem Himmel – und alle haben sich als erfolgreiche Unterfangen erwiesen. Auf der riesigen Terrasse vor dem Opernhaus haben im vergangenen Juni beispielsweise um die 10.000 Besucher Tschaikowskys Pique Dame live gesehen.

Ein weiterer guter Konzertsaal in Zürich, wenn auch ein intimerer, ist die Semper Aula der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), wo regelmäßig erstklassige Solisten und kleinere Ensembles auftreten. Architekturbegeisterte können zudem das Gebäude (1853-1874) bestaunen, das von Gottfried Semper entworfen wurde, dem ETH-Professor für Architektur, der als einer der wichtigsten Theoretiker seiner Zeit gilt. Ganze 21 Nobelpreisträger sind durch diese heiligen Hallen gewandelt, einschließlich Albert Einstein, der den Preis in 1921 erhielt. Das kleine Museum im Hauptgebäude ist ebenfalls ein Juwel; seine Sammlung beinhaltet eine breite Palette an Bildender Kunst in kompaktem, aufgeräumtem Rahmen.

Wer sich für ein breiteres Spektrum an Kunst interessiert, kann sich auf einen siebenminütigen Spaziergang bergab machen, der einen zum Kunsthaus der Stadt führt. Dieses Juwel des Sezessionsstils (1910) zählt zu den größten Museen Zentraleuropas. Es ist schon jetzt großzügig angelegt, doch die Ausstellungsfläche soll bald von einem neuen, von David Chipperfield entworfenen Gebäude um 78% erweitert werden. Die Sammlung des Kunsthauses beinhaltet ein breites Band europäischer Meister, betont jedoch auch schweizerische Schätze, einschließlich J.H. Füssli, Ferdinand Hodler, Alberto Giacometti und Pipilotti Rist. Direkt vor dem Museumseingang steht für jeden sichtbar eine Fassung von Auguste Rodins riesiger und beinahe transzendentaler Bronzetore La Porte de l’Enfer („Das Höllentor“) sowie Henry Moores üppige Skulptur Working Model for UNESCO Reclining Figure, deren linke Schulter in die Richtung des sehr gemütlichen Kunsthaus-Restaurants deutet.

Beim Thema Gastronomie bietet keine fünf Minuten vom Kunsthaus entfernt, zurück in der Nähe des Opernhauses, die legendäre Kronenhalle köstliche – wenn auch kostspielige – Schweizer Spezialitäten. Doch auch Besucher mit kleinerem Budget sollten auf jeden Fall einen Blick hineinwerfen. Die vormaligen Besitzer Gustav und Hulda Zumsteg haben Gemälde des frühen 20. Jahrhunderts gesammelt, die nun die Wände des Restaurants pfeffern: Hungrige Gäste können ihre Austern unter einer Leinwand von Henri Matisse oder Marc Chagall schlürfen.

Schließlich bleibt das großartige Museum Rietberg, eine Institution, die gänzlich außereuropäischer Kunst gewidmet ist, und die am Seeufer gegenüber liegt. Dies ist der Ort der angeblichen Romanze zwischen Mathilde Wesendonck und Richard Wagner, der in den 1850er Jahren hier lange Gast war. Umgeben von einem Park, der für Zürcher Verhältnisse immens ist, wurde die Wesendonck-Villa 1952 in einen Ausstellungsort verwandelt, wenngleich ein beträchtlicher Anteil seiner Sammlungen und Sonderausstellungen im 2007 eröffneten, atemberaubenden und modernen Gebäude gegenüber in einer Art unterirdischen Schatzkammer versteckt sind.

 

Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck.