Königlich und pastoral, das sind die Attribute für Epiphanias, dem Fest der Erscheinung Gottes Sohn in der ländlichen Krippe zu Bethlehem durch die drei geschenkeüberreichenden Weisen aus dem Morgenland. Wie wir alle wissen, bringen sie dem geborenen Christuskind Gold, Weihrauch und Myrrhe, es herrscht eine erfüllte, warme, frohlockende, majestätisch-ehrerweisende Stimmung. Neben wiegendem Rhythmus haben sich für Bachs vor genau 300 Jahren premierten Kantate Sie werden aus Saba alle kommen, BWV65, dabei die Instrumente nur so aufgedrängt. Feierlich-royale Jagdhörner, aus den vorderasiatisch-orientalen Schalmeien entstandene Oboi da caccia und selbstverständlich die Hirtensymbole in Form von Blockflöten, die das übliche Fundament aus Streichern und Continuo auskleiden. Weniger klar dagegen, dass Bach den Choral nicht in die chorische Eröffnung platzierte, sondern mit dem Traditionslied Puer natus in Bethlehem Johann Spangenbergs im gesonderten Satz mit äußerst ähnlicher Textlichkeit in Bezug auf den Titel „Die Kön'ge aus Saba kamen dar“ direkt danach. Das führte im 19. Jahrhundert teils gar zu der irrigen Annahme, es handele sich um den eigentlichen Anfang.
Doch Bach stiftete tatsächlich noch ein wenig Verwirrung. Wobei Verwirrung es nicht genau trifft, als er den Bass – nach dessen Rezitativ zur Jesaia-Aufforderung, sich selbst ein Bild vom Heiland im Stroh zu verschaffen – „Gold aus Ophir ist zu schlecht“ singen lässt. Es ist vielmehr – neben aller dramaturgischen Erforderlichkeit dieser Darstellung – die doppelmoralisch berührte, angetuschelte Konfrontation mit der Realität, wenn man in Kurfürstentum und Kirche die Kritik am wertvollen Mineralabbau statt der höchstwertigsten Gabe des gläubigen Herzens nicht ausspart. Und das, obwohl Bach gleichzeitig selbst Aktien an Silberminen hält, um zu versuchen, sich einen „lebensunter(er)haltenen“ Wohlstand aufzubauen. Da ist der generalverkündete Vorsatz zum neuen Jahr mehr frommer, gewissensbalancierender Wunsch als einfach im Irdischen umgesetzte Entsprechung fibelbiblischen Maßstabs überdimensionaler Verheißungsrückkoppelung. Dass Bach trotz der Wertpapieranteile und eines nicht allzu knappen Gehalts mit Nebenverdiensten allerdings keinen Spar- und Kapitalstock einrichten konnte, erfuhren die Witwe des Thomaskantors und die Öffentlichkeit spätestens 1750.
Um aus der Nummer wieder herauszukommen, gesichtswahrend und erfolgsversprechend sowohl für Welt-, Kirchen- und Komponistenkönige als auch die heiligen Drei des Testaments, wandeln sich Gold, Weihrauch und Myrrhe von rein eitlen Geschenken in der vom Tenor vorgetragenen Interpretation zu Symbolen des reichen Glaubens, des Gebets und der Geduld. Damit das wiederum lebensnotwendig an sich glaubhaft ist, antwortet Bach mit der auf Verlegen- und Unsicherheit stets folgenden Überspielungs- und selbstbewussten wie strategisch „demütigen“ Kommunikationsreaktion des Tanzes. In „Nimm mich dir zu eigen hin“ trägt er den dreiteiligen „Dienst“ des Menschen in sich, nämlich – in Erwartung an die Hoffnungserfüllung durch Jesu – in allem, „was ich rede, tu und denke“ an Christus auszurichten. Und nebenbei verpacken Spieler, Sänger und Schreiber ihr eigenes Geschenk, ihr Werk und momentanes Sein in den kunstvoll aufsteigenden Noten der herrlichen Arie.
Es wird praktische Gründe haben, warum der Strophentext im Schlusschoral fehlt. Es hat sich eingebürgert, „Ei nun, mein Gott“ aus Paul Gerhardts Ich hab in Gottes Herz und Sinn auf die Melodie vom Choralklassiker Was Gott will, das g'scheh allzeit zu verwenden. Erlauben Sie mir aber – frei und unwissenschaftlich – einfach mystisch zu interpretieren, dass die Bekräftigung des Universalen individuell oder atypisch offen bleibt, so wie jeder am Ende konkret seinen christlichen Dienst leistet, den Vorsatz umsetzt und was das Jahr überhaupt bringt. Auf ein gutes Neues jedenfalls!