Extrem kurz, etwas metallisch und beinahe steril schallten die ersten Akkorde der Ouvertüre aus dem Orchestergraben. Wer nun jedoch fürchtete, das dadurch der klangliche Rahmen für den Abend festgesetzt sei, der wurde bald beruhigt, als der Vorhang aufging und den Blick freigab auf Tom Muschs Guckkastenbühne, deren Inneres zunächst bei einer Art weiterem Vorhang aus schwarzen, langen Streifen verhüllt war. Zwischen den Streifen reichten die Hände der beiden Protagonistinnen hervor, als Guglielmo (Jongwook Jeon) und Ferrando (Yongkeun Kim) derart warm und schwärmend von den Tugenden ihrer Geliebten sangen, dass es fast grausam von Don Alfonso erschien, das Gegenteil auch nur zu behaupten.

Frank van Hoves klarer, etwas stählerner Ton gab seinem Alfonso die angemessene Menge reifer Autorität und bildete einen schönen Kontrast zu den Stimmen der beiden Helden. Sie sind zwei der vier jungen Künstler, die in der dieser Opernproduktion des Theaters Heilbronn und des Württembergischen Kammerorchesters in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart die beiden Liebespaare singen - und die sich durchaus behaupten können.

Ihr heller, strahlender Tenor und weicher, etwas halsiger Bariton gaben den beiden männlichen Hauptrollen ein sehr jugendliches Timbre und ihre Stimmen harmonisierten wunderbar, während Manuela Vieira dos Santos als Fiordiligi und Haruna Yamazaki als Dorabella in den weiblichen Hauptrollen glänzten. Vieira dos Santos' Stimme war oft scharf, fast schneidend, passte jedoch sehr gut zu Yamazakis weicherem Mezzo, der gelegentlich reifer und älter als ihre Rolle und ihr tatsächliches Alter klang. Beide traten auf, nachdem sich der Vorhang aus schwarzen Streifen endlich geöffnet hatte und den Blick freigab auf ein schlichtes Bühnenbild, das gut zu den farbkodierten Kostümen passte, die historisch inspiriert (mit Perücke!) waren und doch auch deutlich moderne Elemente besaßen.

Axel Vornams Inszenierung ist geradlinig, Bühnenbild und Requisiten lenken kaum ab (die Neonröhren an der Decke des Guckkastens wurden zum Ende des ersten Aktes hin dann doch unangenehm für die Augen), alle Aufmerksamkeit gilt der Personenregie. Mit Mimik und Gestik malt sie ein detail- und farbenreiches Bild von Vertrauen und Zuneigung, von Betrug, Schmerz und Wut, und die Sänger spielten überzeugend: Die Abschiedsszene war sehr emotional, und Fiordiligis „Come scoglio“, sanft untergraben von Dorabella und Guglielmo, die sich am hinteren Bühnenrand schon näher kamen, war absolut glaubhaft. Vieira dos Santos meisterte die riesigen Sprünge intonations- und gestaltungssicher; in ihren Arien glänzte sie mit sauberen Koloraturen, und trotz anfänglicher Wackler besonders in langen hohen Tönen zeigte sie später sowohl solide Spitzentöne als auch eine beeindruckend starke tiefere Lage.

Ferrandos und Guglielmos prahlerisches, geradezu naives Vertrauen in ihre Verlobten wandelte sich bald, als die beiden mit Militärmantel, Pilotensonnenbrille und Palästinensertuch um den Kopf als Albaner verkleidet auftraten. Sie lümmelten auf den Stühlen mit dem desinteressierten Blick übermäßiger Selbstsicherheit, triumphierten vorzeitig mit einem kleinen Tänzen à la Gangnam Style, und Kims folgendes „Un'aura amorosa“ war einfach wunderschön. Die markante Klarheit seiner Stimme blieb und verband sich mit einer Zärtlichkeit, die die Arie mit einer ehrlichen, etwas melancholischen Sehnsucht nach seiner Geliebten durchsetzte. Als Guglielmo Dorabella erfolgreich verführt hatte spiegelten sich seine Traurigkeit darüber, sein Mitleid für den Freund und auch ein Hauch Scham in seiner Haltung und seinem Ton und wurden geradezu greifbar; so auch Ferrandos verletzte Wut angesichts dieser Neuigkeiten, und Fiordiligis anhaltender innerer Kampf mit ihrem Gewissen.

Die treibende und besonders ausführende Kraft des Streiches neben Alfonso in gestreiftem, freizügigen Petticoat-Kleid, das man irgendwo zwischen Gothic und Wildwest-Saloon ansiedeln könnte, war Isabella Forcalas hervorragende Despina. Liebesdesillusioniert und äußerst keck gestaltete sie die Rolle in Spiel und Gesang, mal trällernd mit ihrem hellen Sopran, mal beschwörend, dann wieder nasal gepresst als urkomische Imitation des Notars, und immer ein superbes Duo infernale mit Don Alfonso.

Gesang und Spiel wurden vom Württembergischen Kammerorchester, dessen anfänglich schlanker Klang im Laufe des Abends auf den vollen Körper eines Symphonieorchesters zu wachsen schien, ausgezeichnet unterstützt und von Ruben Gazarian präzise koordiniert. Mit einfachen, doch effektiven Gesten zog er die Fäden zwischen Bühne und Graben. Die Instrumentalisten spielten akkurat, mit vollem, rundem Ton und einer Vielzahl dynamischer Nuancen, doch nie übertönte das Orchester die Sänger. Es gab einige Wackler im Zusammenspiel, besonders im großen Accellerando am Ende des ersten Aktes, doch alles wurde schnell wieder in Einklang gebracht und zu einem spektakulären Abschluss geführt.

Es war ein wunderbarer Abend mit einer schlichten, aber sehr unterhaltsamen Inszenierung die einiges zu bieten hat, und besonders die jungen Sänger begeisterten mich mit ihrer Professionalität, ihrem ausgezeichneten, schon jetzt ausgefeilten Gesang und ihrem überzeugenden, natürlichen Schauspiel. Während des letzten Tuttis schließlich hoben sich die Wände der Guckkastenbühne à la Brecht, der Boden wurde allmählich wieder auf Bühnenlevel gesenkt. Der Rahmen der Bühne neigte sich nach hinten und entließ die Sänger sowohl aus dem von Alfonso geplanten Streich als auch aus der eigentlichen Produktion in die Realität und die stehenden Ovationen, die die Musiker auf der Bühne und im Orchestergraben eindeutig verdient haben.

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