Georg Philipp Telemanns erst einteilige, dann zweiteilige Donner-Ode hat mich immer schon fasziniert. Nicht zuletzt führte die Begeisterung für das 1756 entstandene und 1760 aufgrund seines riesigen Erfolgs erweiterte Werk zu meinem hier erschienenen Artikel anlässlich einer seiner heute noch eher rar gesäten Aufführungen, der später wohl Anlass für einen anonymen Autor bei Wikipedia war, dem Stück sogar einen eigenen Eintrag zu widmen.

Meret Lüthi und Les Passions de l'Ame © Kirsten Mengewein
Meret Lüthi und Les Passions de l'Ame
© Kirsten Mengewein

Les Passions de l'Âme unter Führung Meret Lüthis und das als Markenzeichen auswendig singende Vokalensemble Solomon's Knot unter Jonathan Sells sollten es in ihrer eingespielten (Berner Leitungs-) Verbundenheit bei den Magdeburger Telemann-Festtagen ins Programm nehmen. Einerseits um die damalige Erkenntnis von der Beliebtheit der Ode, der Anerkennung des Komponisten und der mit einem März-Bußtag in Hamburg gedachten Naturkatastrophe von Lissabon noch stärker und persönlich in die kulturelle Auseinandersetzung zu stellen. Zudem, um die gleichzeitig stattfindende CD-Produktion der ausführenden Künstler mit einem Konzert zu krönen; und um andererseits den populäreren, zeitfüllenden Punkt darin zu haben, mit der 1754 zur Einsegnung des zuvor durch England gereisten Hamburger Marien-Magdalenen-Pfarrers Joachim Lütkens geschriebenen Kantate Wie lieblich sind auf den Bergen eine der Gesamtagenda des Festivals rechnungtragende gänzlich neuzeitliche Präsentation einzubinden.

Mehrheitlich zentrales „Motiv“ aller abendlich aufgeführten späten Kirchenmusiken bildete also selbstverständlich der für Gottes Zorn und Größe, dadurch sämtliche Natur-GAUs auslösende Donner, den Charlie Fischer an den Pauken in der Ode ein wenig zurückhalten musste, als dagegen das Bass-Duo Sells und Johannes Wollrab (er ersetzte die kurzfristig coronabedingt ausgefallene Stammbesetzung Alex Ashworth) den „langen, lauten Lobgesang“ zur von Ehrfurcht getriebenen Übertönung äußerst wörtlich nahmen. Instrumental überhaupt nicht zusammenreißen durfte sich Christian Holenstein am tatsächlich naturalistischen, Gänsehaut produzierenden Spektakel des Konzerts, dem bisher nie so fabelhaft gehörten „Zedern“-Bersten des Corno da caccia, dem Sells in durchaus gewaltiger, derber Staturentsprechung samt weichen Kontrasten im Telemannischen Hervorrufen des Staunens zur Seite stand. Vokal noch packender und vom eingebrachten Timbre etwas runder und mächtiger dokumentierte Wollrab mit griffig-eruptiven Streichern und Solotrompete steinschlagendes Erdbeben und Vulkanausbruch, hatte Tenor Tom Herford den Naturreigen zuvor mit bereits klarem theatralischerem Anstrich beim zackig-flutigen, aufgrund der kleinen, engen Gesangsfiguren nicht zu schnellen Auftürmen des Meeres eingeleitet.

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Solomon's Knot und Les Passions de l'Ame
© Kirsten Mengewein

Eröffnet worden war das Ganze durch den Eingangs- und späteren Schlusschor „Wie ist dein Name so groß“, dessen ansteckender Elan seine Grundlage im vollen Klang beider Ensembles, besonders aber in der Freiheit und Zugewandtheit des achtköpfigen Solomon's Knot hatte. Diese förmlich offenen Arme bereiteten einen Empfang, der den Titel Telemanns zweiten Teils der Donner-Ode „Mein Herz ist voll“, der die Veranstaltung überschrieb, mit bestmöglichem Leben füllte und damit ebenso auf den premierten Pfingsthymnus Veni sancte spiritus deutete, welcher sich durch besonders kontrastierende, ehrwürdig-freudige Verspieltheit, jedoch auch intonatorische Probleme Wollrabs auszeichnete. Zur Ehrerbietung solistisch aufgefordert hatten odlich eingangs Sopran Hilary Cronin, deren prächtig lichte wie hellgoldig, erhabene, ätherische Wonne mit Inga Maria Klauckes Fagott genauso Entfaltungskraft besaß wie Michal Czerniawskis puristisch-voluminöser Appell im Alt mit herzlichem Gestaltungsvermögen, allerdings teils zu tiefen ersten Einsatztönen. Am Ende gar die Flügel gespannt wurden in besagtem Teil II mit Zoe Brookshaws zierlicher und trotz führenden Vibratos verständlicher Bezirzung des Herrn vor weiteren Naturmunitionsspitzen des Horns und nach der himmlischen Gelassenheit Herfords unter der Engelstrompete.

Und somit in gewissem Maße wiederum auf die abschließende Michaeliskantate Dich rühmen die Welten verwiesen, in der ein kämpferischer Schwung mit Jeanne d'Arc-artigem Einstieg der wunderbar aufrüttelnden, gewetzt-forschen, ausgewogenen Brookshaw unter einer herrlich effektvollen Battaglia, der leuchtend-vertrauende Christ-Tenor Andrew Tortise mit operndramatischer, exaltiert-vollmundig „aufgestiegener“ Alt-Erhöhung Kate Symonds-Joys, Wollrabs Wehrhaftigkeit unter metallischen Sforzatoschlägen Lüthis Streicher und eindringlich-dynamisch-organische Choräle weitere Highlights wie Zeugnisse Telemanns durchdachter Überraschungseinfälle waren. Reichlich solcher auffälligen Gegensätze, großen opernhaften Eingriffe sowie Eigenarten seines unnachahmlichen Sprach- und Geist wie Unterhaltung anregenden Stils kennzeichneten zudem die Lütkens-Einsegnungskantate, mit der sich die vokal-solistischen bewegenden, bewegten wie lebhaften Eindrücke bereits verfestigend bestätigt hatten, Les Passions de l'Âme nochmals satter aufspielte und es zuletzt auch einfach heftiger donnerte.

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