Das Eröffnungskonzert von FEL!X 2021 noch in ziemlich guter Erinnerung, war zum Auftakt der siebten Edition des Originalklangfestivals der Kölner Philharmonie mal wieder Václav Luks mit seinen Prager Collegia 1704 zu Gast. Als Kurator der diesjährigen Ausgabe brachte Luks zwei Konzerte zum Themenschwerpunkt Böhmen mit, von denen das erste drei Werke enthielt, die mich – schon vom Namen und Anlass intendiert – ebenfalls ganz persönlich in frühere Zeiten zurückversetzen sollten.

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Václav Luks
© Petra Hajská

Da waren einerseits Mozarts Requiem in der Süßmayer-Fassung sowie Adagio und Fuge in c-moll, die ich selbst als Jugendlicher an der Geige mit meinem Zwillingsbruder an der Bratsche mit unserem verstorbenen, in Böhmen geborenen Vater gespielt hatte. Legendär ist schließlich Mozarts Zuneigung zu Böhmen, die mit seinem vermeintlichen Ausspruch „Meine Prager verstehen mich“ am Ständetheater in Bronze gegossen wurde und von der seine letzte Reise dorthin kurz vor seinem Tod 1791 zur königlichen Inthronisierungs-Uraufführung der Clemenza di Tito zeugt. Und andererseits fand sich mit František Ignác Tůmas Stabat mater jene Komposition auf dem Programm wieder, mit denen Luks und Ensembles unter anderem das Festival Oude Muziek Utrecht 2014 in der frisch renovierten TivoliVredenburg eröffnet hatten, dem ich damals beiwohnte.

Diesem Trio an Werken ging allerdings noch – quasi als Ouvertüre – die Sinfonia à 4 in c des mährischen Komponisten Franz Xaver Richter, den Mozart auf seiner Frankreich-Reise 1778 traf, voraus, um die Beeinflussung in der Mannheimer Schule sowie deren Reichweite, die Fugenverwandtschaften und Bedeutung historisch rund abzubilden. Die Streichersinfonie legte dabei das durch den Abend tragende interpretatorische Fundament des Collegium 1704, das seinen reichen Klang mit schillernden Effekten, Rhythmik und starken Bässen auf extreme Kontraste in Dynamik und Artikulation sowie empfindsamen Dampf und Genuss baute. Offensiv und unnachgiebig forderte Luks in Richters Ecksätzen von Allegro und Vilanesco gröberes, von Leidenschaft beherztes Einsetzen und stimmliches Ausfüllen, dessen ungestüme Befolgung dennoch stets einen kultivierten Kern und trotz nicht-antiphoner Aufstellung eine treffliche Gesamtbalance wahrte.

Diese große Palette an Ausdrucksvielfalt sollte sich auch in Tůmas Stabat mater für Chor und Continuo bewähren, um mit erwärmter Entschiedenheit die Affekte von anmutiger Andacht und Schmerzlichkeit zu transportieren. Dabei stellte das siebzehnköpfige Collegium Vocale 1704 mit kurzen solistischen Einschüben von Helena Hozová, Kamila Mazalová, Václav Číček und Tadeáš Hoza seine mehrheitlich sehr homogene Klangpracht unter Beweis. Diese schlug in instrumentaler Weise dann wieder in Mozarts intonatorisch herausforderndem Adagio und Fuge als rigider und effektiver Marker zu für eine lebendige, dicht-transparente Ausführung.

Collegium (Vocale) 1704 © Petra Hajská
Collegium (Vocale) 1704
© Petra Hajská

Mit feierlicher und tröstlicher Betroffenheitsdramatik entfaltete sich schließlich das Mozart-Requiem, in dem sich die Collegia 1704 unter Luks‘ animierender Energie von be- oder entwaffnender Direktheit, Verständlichkeit, dynamischem und farbigem Gegenspiel, Flexibilität sowie betroffen-expressiver, wirkungsstarker Aufgeräumtheit zeigten. Theatralisch differenziert zudem das von Klarheit und bedachter Phrasierung geprägte Solistenquartett aus Tereza Zimková, Henriette Gödde, Krystian Adam und Tomáš Šelc, das – mit kleinerer Einschränkung vereinzelt höherer Tenorpressung – seine weiche Grundausrichtung zudem in angenehme Bestimmtheit umzusetzen verstand.

Insgesamt erfüllten Chor und Orchester die Anforderungen mit zupackender Reinheit, Wärme, fruchtbarer Flügelhaftigkeit und doch genügend Schneid, um die bis in die Ewigkeit anhaltende Faszination für Mozarts (und von Eyblers sowie Süßmayers) Werk zu übermitteln. Dabei entlockte Luks den Sackbuts neben den üblichen Schwellern besonders androhende Funken im Dies irae, den Trompeten in ihrer Festlichkeit teils neongrelle Strahlen und betonte das Holz um Bassetthörner und vor allem auch Fagotte, die das Benedictus in treffliche Harmonie verwandelten. Sollten lediglich die Pauken im Verhältnis dagegen eindimensionaler scheinen, lieferten die Collegia 1704 eine überzeugende erste Aufführung zu FEL!X 2025, bei der sie eine temperamentvolle, stolze und ausgewogene Visitenkarte Böhmens hinterließen.

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