Zu seinem offiziellen Antrittskonzert als Generalmusikdirektor der Staatskapelle Berlin wählte Christian Thielemann mit Mendelssohn und Schönberg ein für ihn untypisches Programm. Vor der Pause war es gut, nach der Pause triumphal.

Christian Thielemann am 7. Oktober in der Staatsoper Unter den Linden © Matthias Creutziger
Christian Thielemann am 7. Oktober in der Staatsoper Unter den Linden
© Matthias Creutziger

Zunächst brachten Thielemann und die Staatskapelle im Elysium des kanadischen Komponisten Samy Moussa eine sonnige Idylle ohne Leid und Sorgen zu Gehör. Intensiv leuchtete der B-Dur-Dreiklang in den Streichern und öffnete die Pforten zum Jenseits. Minimale Tonverschiebungen ließen die Akkorde zwar vorübergehend ineinanderfließen und sich so verändern, dass jeweils ein völlig neuer Klang entstand; stets aber fand die Musik zum harmonischen Zusammenklang zurück. Die Aufführung steuerte auf einen Kulminationspunkt zu, auf dem das Schlagzeug den Dur-Akkord monumental bekräftigte, dann hielt die Aufführung für einen kurzen Moment inne, bis der B-Dur-Akkord, aus dem das Stück erwuchs, euphonisch das Werk beschloss.

Mit Igor Levit verbindet Thielemann eine lange Künstlerfreundschaft, und wohl darum übernahm der Pianist in diesem Antrittskonzert den Solopart. Während Thielemann den Orchesterpart des Zweiten Klavierkonzerts Felix Mendelssohn Bartholdys zündend und kontrastreich auslegte, spielte Levit den Solopart recht zurückhaltend und elegant. Besonders gut gelungen erschien der Übergang vom ersten in den zweiten Satz, der vorgibt, in eine Solokadenz zu münden, dann aber doch in den langsamen Satz leitet. Dies ließ sich auch darum so gut auskosten, weil kaum ein Zuhörer im Saal diese Pointe gekannt haben dürfte. Im letzten Satz betonten Thielemann und Levit das Giocoso im Rondo. Für Manchen mag das ein wenig zu schüchtern geklungen haben, doch prägte seinerzeit Schumann für derartige Auseinandersetzungen im Solokonzert das Wort eines „artigen Kampfes“ – und genauso klang es auch.

Als Zugabe spielte Levit das Es-Dur-Intermezzo, Op.117 von Johannes Brahms wie ein Selbstgespräch.

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Igor Levit und Christian Thielemann am 7. Oktober in der Staatsoper Unter den Linden
© Matthias Creutziger

Mit Arnold Schönbergs Pelleas und Melisande stand das Hauptwerk des Abends auf dem Programm. Die Aufführung war nicht allein ihrer Orchesterpracht und den kammermusikalisch feinsinnig musizierten Passagen wegen zu bewundern, sondern, weil es Thielemann und der Staatskapelle gelungen ist, jede Einzelheit der Handlung widerzuspiegeln und die Wandlung der Charaktere genau nachzuzeichnen.

Im Rankenwerk der Nebenstimmen überwucherten die Instrumente nie die Hauptstimme. So hielt das Schicksalsmotiv von Beginn an drohend die Hand über dem musikalischen Geschehen. Sehr beglückt war ich, dass im Thema des Pelleas das Tristan-Zitat hörbar war, das für gewöhnlich in den vielen Stimmen untergeht. Die Liebesszene wurde nicht allein schwelgerisch ausgekostet, sondern so musiziert, dass sie Schritt für Schritt auf die Katastrophe zusteuerte. Höhepunkt der Aufführung war aber doch die halbtonversetzte Reprise nach dem Tod des Pelleas, die übrigens Schönberg selbst für das Beste am Stück hielt. Wie erstarrt und überfroren klirrten die Motive vom Beginn aus dem Orchester, und brachten erschütternd zum Ausdruck, warum Melisande an der Lieblosigkeit zerbricht. Selten hat eine Musik so einsam geklungen wie hier, und das auch noch, wenn Golaud als letzter Überlebender sein Thema erklingen ließ.

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