Endlich geht das Licht aus in der Elbphilharmonie. Der Große Saal, sonst viel zu hell erleuchtet, während man versucht alle Aufmerksamkeit auf die Bühne zu richten und währenddessen 2100 Menschen aus dem Augenwinkel sieht, war an diesem Abend nur im Bühnenbereich beleuchtet. Eine kleine „Brut-Lampe“, ein Scheinwerfer, hing auf ungefähr eineinhalb Meter Höhe über der Mitte der Bühne. Das Orchester saß rechts, der Chor lag links verteilt auf den hellen Holzpodesten.
„Herr, Herr, Herr“ beginnt der Eingangschor. Jeder einzelne Sänger schreit zu Gott, die Hände ausstreckend, flehend, sich über den Boden rollend. Schon diese Szene ist überwältigend. Jeder Einzelne singt für uns. Die Musik ist so nah am Zuschauer dran. Es gibt zu sehen, was man hört. Keine bunten Kostüme, kein Bühnenbild, aber Bewegung, Tanz und innige Beziehungen.
Auch wenn die Johannes-Passion nur die kleine Stiefschwester des großen Matthäus ist, bleibt es doch Bach. Die Musik hat eine Spannung und harmonische Tiefe in sich, die berührt. Nicht nur wegen eines hervorragend singenden Choir of the Age of Enlightenment und dem einfühlsamen Sir Simon Rattle, der sein Podest immer wieder verlässt, um Kontakt mit seinen Sängern aufzunehmen, sondern auch dank Mark Padmore. Vor neun Jahren führte er mit Simon Rattle das erste Mal Peter Sellars „Ritualisierung“ der Matthäus-Passion an und seitdem hat seine Interpretation des Evangelisten nichts an Feinheit, Präzision und Wärme verloren. Als Erzähler, Tröster, Hohepriester und Lenker des Geschehens führt Padmore die Charaktere mit seinem klaren Tenor, seinem unerschütterlich starken Ausdruck durch die Passion Jesu.