Mit dem Alter wird man vielleicht weiser, schlauer aber nicht – diese Lektion erteilen die lustigen Weiber von Windsor dem finanziell und moralisch abgehalfterten Ritter Falstaff. Ähnlich wenig Durchblick hat sein Rivale Ford, dessen Intrige gegen die eigene Ehefrau publikumswirksam fehlschlägt, sodass er letzten Endes nicht einmal seine Tochter an den von ihm vorgesehenen Mann bringen kann. Die Shakespeare’schen Turbulenzen in Verdis letzter Oper sind grundsätzlich für einen bunten Abend im Repertoire gut, aber mit einem Duo Infernale wie Carlos Álvarez und Simon Keenlyside wird das zu einem besonders bittersüßen Zuckerl.
Beide geben in dieser Aufführungsserie Falstaff respektive Ford erstmals, doch waren in der hier besprochenen zweiten Vorstellung an der Wiener Staatsoper keinerlei Debüt-Unsicherheiten zu bemerken. Um den Ritter von der lächerlichen Gestalt darzustellen, braucht es einen ganz besonders erfahrenen, charismatischen und doch uneitlen Sänger, und mit Álvarez hat man hier einen besonderen Glückgriff gemacht. Natürlich ist Falstaff eine Witzfigur mit ausgestopftem Bauch und ein präpotenter Tölpel obendrein, aber auch sehr viel mehr als das: er ist der theatralische Archetyp eines Mannes mit später, aber umso ausgeprägterer Midlife-Crisis – einer, der einmal erfolgreich war und es nicht billiger geben will, sondern sich in Zweckoptimismus übt. Wissend, dass die einst verlässlichen Waffen stumpf geworden sind, greift er zur List und scheitert trotzdem. All das vermittelt Álvarez auf köstliche Art und Weise, und noch viel mehr: Wenn er singt, was Falstaff von der Ehre hält (nämlich nichts), so kommt noch zynische Abgeklärtheit dazu; nach dem unfreiwilligen Bad in der Themse auch ein guter Schuss an geradezu wienerischem Grant und Geraunze.
An Grant und Zynismus fehlt es auch Simon Keenlyside nicht, aber vor allem spuckt sein Ford wohldosiert Gift und Galle gegen den aufgeblasenen Ritter, der es auf seine Frau abgesehen hat. Hier treffen zwei große, schönstimmige Baritone aufeinander, und dieses waffenlosen Duell der Antihelden manifestiert sich en miniature in der folgenden kleinen Szene: Wenn sie höflich darüber streiten, wer wem den Vortritt beim Verlassen des Wirtshauses zum Hosenband lassen sollte, und die einvernehmliche Lösung so aussieht, dass Keenlyside am Arm von Álvarez gegen den Türstock knallt, merkt man, dass die beiden alle Theatertricks beherrschen.