Charles Jennens hatte Händel bereits mit mehreren Oratorientexten versorgt, als er dem großen Musikstar 1741 ein neues Dokument überreichte und ihn bat, daraus etwas Schönes zu machen. Es war die Grundlage des Messiah, dessen Libretto Händel hervorholte, um nach der Uraufführung am 13. April 1742 in Dublin endgültig in die Musikgeschichte einzugehen. Ein anderer Charles, alias „Der Ungar“, mit richtigem Namen vermutlich Carlo Vernsberg, wollte von der fortan ausgebrochenen Händelmania in Irland profitieren und sich zugleich als ominöser Rivale des Meisters profilieren. Er war schließlich ein formidabler Hornist und als Konzertunternehmer zugange.

Peter Whelan © Jen Owens
Peter Whelan
© Jen Owens

Für den 12. Mai 1742 stellte Vernsberg gemeinsam mit seiner Frau ein Konzert in Dublin auf die Beine, das größtenteils Händelwerke, aber auch eigene und solche beliebter anderer Komponisten enthielt. Selbstredend war es zudem dem seinerzeit – auch vor allem in Irland – beliebten Horn gewidmet. Allerdings lockte der ausgebuffte Unternehmerzeitgenosse mit einer weiteren Ankündigung: Spielgeräte zu erleben, die in Dublin nie zuvor gehört worden waren. Die gerade neu entwickelte Barockklarinette, die unter anderem in Deutschland längst in Betrieb befindliche Oboe d’amore sowie die vorherige kleinere Schwester der Klarinette, der Chalumeau.

Peter Whelan und sein Irish Baroque Orchestra haben dieses Konzert im Rahmen des Möglichen – Vernsbergs Eigenkompositionen sind weitestgehend verschollen – mit Stücken von eben Händel, dazu Hasse, Telemann, Bocchi und Lully rekonstruiert, eingespielt und nun mit leicht abgewandeltem Programm beim Abschluss des MA Festival Brugge präsentiert. In die Rolle des veranstaltenden Hornsolisten Mr Charles schlüpfte dabei Anneke Scott, die John Walshs Arrangement Händels populärer Cesare-Arie „Va tacito“ für Traversflöte zusammen mit Miriam Kaczor in abgebrühter Virtuosität zu dem Genusshöhepunkt des Abends machte. Zuvor blies sie mit Kollege Joseph Walters zu Vernsbergs „Chasse“ aus dessen Suite Nr.1, der Telemanns Napolitana mit Emma Blacks unglaublich lebendigen Oboe d’amore, Bocchis mitreißende Sonata X mit Sarah McMahon am Solocello und Lullys effektträchtiger Türkenmarsch folgten.

Umklammert war der Ablauf von Händels Concerti a due cori Nr. 2 (mit einem Messiah-Satz) und Nr. 3 für den damit noch größeren Auftritt des Horns, nämlich in je doppelter Ausführung mit je einem Oboenpaar und einem Fagott. Die Bläserflotte des IBO wurde dafür von Mitgliedern des Ensemble Sarbacanes ergänzt und drappierte sich antiphonreihig hinter den Streichern, um stolz und dabei doch gelassen, jedenfalls gebührend festlich und trotz aller Herausgehobenheit unter Wahrung der Gesamtbalance und, den hohen Temperaturen geschuldet, teils mit ein paar größeren Intonationsproblemen aufzutrumpfen.

Insgesamt legten die Musiker aber ein üppiges, seinesgleichen suchendes, überragendes Phrasierungs- und Dynamikfeuerwerk hin, für das Whelan, hibbelig zuckend, die Arme breitend, in Taktschwung wiegend, am Ende Solisten und Orchester stets mit erhobenen gefalteten Händen dankend, berüchtigt ist. Inspiration, opernarienhafte, dramatischere Momente sowie edlere bis derbere Kontraste waren so innerhalb der Stücke an einer selbstverständlichen, vor allem organischen, Tagesordnung.

Zentral zudem Händels Wassermusik-Suite Nr. 2 mit zwei Sätzen der Nr. 1 (mit Barockklarinette), die ebenfalls Verlegerberühmtheit Walsh herausgab und durch Whelans Lockung der einzelnen Stimmen in flotten Tempi – obendrein mit französischer Streicherartikulation – erfrischend, erhaben und elegant wie selten daherkam. Vor dem Hintergrund der orangebeleuchteten Concertgebouw-Streben wirkte die Wassermusik so wie anregende Wellen bei Sonnenuntergang, der dazu ein kleines benetzendes Ballettchen mit Hasses „Barbarina-Minuet“ aus dem Concerto, Op.4 Nr.1 vorausging. Hasse erklang davor bereits mit Oboe, Sopranchalumeau, Fagott und Basso continuo für das Konzert in F mit den Solistinnen Black, Nicola Boud und Katrin Lazar in besonders charmanter, warmer, intimer Atmosphäre.

Ergänzt wurde das Programm schließlich noch um späteren Wahlirländer Geminiani und dessen La Folia, damals eben schon Kassenschlager, die durch die erwähnte Organik, Phrasierung und Attitüde aus entspannter Aufgedrehtheit durch das IBO, hier zuvörderst mit Concertinoprimus Michael Gurevich, die von Mr Charles generell beabsichtigte Wirkung nicht verfehlte.

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