Freiheit und Brüderlichkeit sind damals wie heute die zentralen Werte, die Europa ausmachen. Ganz bewusst hatte das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Beethovens Neunte Symphonie als Abschluss des Open-Airs am Odeonsplatz gewählt. Gegen den Terror, der das gesamte letzte Jahr überall in der Welt Opfer gefordert hat. Unter der Leitung von Daniel Harding und gemeinsam mit dem Chor des BR gelang am zweiten Tag bei Klassik am Odeonsplatz ein Konzert, das nachdenklich stimmte, Hoffnung gab und schließlich mit einer ermutigenden Geste endet.
Den Auftakt machte Beethovens dritte Fassung der Leonorenouvertüre, die Harding mit dramatischen Charakter begann. Tief dunkel erklangen die ersten Takte, bevor das überschwängliche Thema einsetzte. Bereits hier machte Harding deutlich, dass es ihm darum ging, die Kontraste innerhalb der Werke herauszustellen. Die Ouvertüre beinhaltete bei ihm gleichfalls ernst getragene Momente und spritzig leichte, die die unglaubliche Beweglichkeit des Orchesters zeigten. Mit präzisen Akzenten und genau gearbeiteter Dynamik verlieh Harding der Ouvertüre eine sommerliche Frische, sodass sich das Werk schön in die Atmosphäre einfügte.
Deutlich schwieriger wurde es bei Schumanns selten gehörtem Nachtlied, das mit seinem ruhigen und fragilen Charakter auf dem ersten Blick nicht als beste Wahl für ein Open-Air scheint. Doch die Musiker bewiesen das Gegenteil. Es war beeindruckend wie Harding das Publikum von dem instrumentalen Vorspiel über den expressiven Chorausruf zum leisen Schluss mit einem großen Spannungsbogen führte. So wirkte das Werk ein bisschen wie ein Miniatur-Requiem, das der Chor mit beeindruckender Textverständlichkeit meisterte. Die einzelnen Stimmen, die Harding zu einem immer weiter fortschreitenden Klanggeflecht verwob, verloren nie an transparenter Struktur und besonders im Mittelteil stellte der Chor seine dramatischen Qualitäten bei großer Homogenität unter Beweis. Die Sänger schienen die von Harding angestrebte Stimmung zu erspüren und stellten sich genau auf das Orchester ein. So schaffte der Chor mit seinem Schluss im feinen Piano einen perfekten Übergang in das instrumentale Nachspiel, das verträumt in die Pause leitete.