Wie könnte ein trauriges Märchen besser illustriert werden als mit einem goldenen Käfig? Genau dieser ist Heim und einziger Bezugspunkt einer einsamen Prinzessin. An nichts soll es dem Täubchen mangeln – nur an der Wahrheit über ihr erblindendes Gebrechen. Mit paradiesischem Blumenregen und fast märchenhafter Lichtführung hat das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper so Peter Tschaikowskys letzte Oper Iolanta unter der Leitung von Regisseur Axel Ranisch auf die Bühne gebracht.
Iolanta erzählt die Geschichte von eben dieser von Geburt an blinden Prinzessin, die vom überführsorglichen Vater in die Abgeschiedenheit verbannt wurde, wo ihr niemand je von ihrem Leiden erzählen darf. Die ersten Lebensjahre funktioniert dies leidlich gut, nur dann tut Iolanta das, was Prinzessinnen eben nun einmal tun: Sie verliebt sich in einen Ritter und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Vom erbosten König, über die wundersame Heilung, bis hin zum Happy End ist alles mit dabei.
Auch Strawkinskys kaum 25-minütige Kurzoper Marva stand an diesem Abend in München auf dem Programm. Iolanta, eine halbe Stunde Pause und dann Marva – so kennt man es von Aufführungen von Cavalleria rusticana und anderen nicht abendfühlenden Werken. Doch Axel Ranisch nutz den ungezwungenen Rahmen der kleinen Bühne für ein Experiment und kombiniert die beiden Stücke.
Auf den ersten Blickt passt Strawinskys komische Oper so gar nicht zu dem durchaus düsteren und elegischen Stoff der Iolanta. Trotzdem, die Idee von Ranisch geht auf. Die kurzen Episoden der Marva werden als Zwischenszenen ganz in der Fantasie der Prinzessin eingebaut, samt eigenem Orchester, welches mit grauen Perücken auf der Bühne thront. Während Iolanta im Hintergrund allein in ihrem Puppenhaus spielt, präsentieren sich die Solisten in überdimensionierten Puppenkostümen auf der Vorderbühne.
Diese ausgeklügelte Verbindung nimmt Tschaikowskys letzter Oper den Schwersinn, ohne den Sinn zu entfremden. Nein, es fällt gar leicht zu glauben, dass die adoleszente Prinzessin Iolanta die vielen einsame Stunden mit schlüpfrigem Puppenspiel nutzt.
Nur allzu gut passen die amourösen Eskapaden zwischen Parascha und ihrem Liebhaber Wassili in die beengte Welt von Iolantas Exil im Wald. Selbst der Wechsel zwischen Strawinskys konzeptioneller Leidenschaft und Tschaikowskys überspitzer russischer Romantik erscheint so konkludent und keineswegs als Versatzstück.