Alexander Malofeev ist eine absolute Ausnahmeerscheinung: im Alter von 14 Jahren hat er bereits eine Vielzahl von Wettbewerben gewonnen, darunter 2014 den Tschaikowsky-Jugendmusikwettbewerb in Moskau. Ein Konzert mit diesem Künstler macht einen sprachlos: ein magerer, bleichgesichtiger Junge, der technisch nicht mehr weit davon entfernt ist, sich mit den Meistern seines Faches messen zu können. Er hat mit Elena Beryozkina eine ausgezeichnete Lehrerin, und in Valery Gergiev und Denis Matsuev auch prominente Mentoren, doch es fehlt nicht viel, dann kann ihm niemand mehr Technik beibringen – was kommt danach?
Es scheint mir trotz seines fortgeschrittenen technischen Status nicht angebracht, Alexander Malofeevs Spiel an demjenigen internationaler Stars zu messen und zu werten: ich sehe das als eine Art Bestandsaufnahme, nicht als Kritik.
Malofeev spielte ein fast durchwegs hochvirtuoses Programm; wes Geistes Kind er ist, zeigte sich schon in den beiden Scherzi (1 & 2) von Chopin. Das Spiel erinnerte mich stark und unmittelbar an die Liszt-Interpretationen seines Mentors, Denis Matsuev: rasende, dramatische Läufe in einem Tempo, bei dem die einzelnen Noten zu einem Ganzen verschwammen, eruptive Dynamik, zu gewaltigen Klangmassen aufgetürmt, kraftvolles, immer flüssiges Spiel, eindrückliche Steigerungswellen, in den lauten Stellen ein kompaktes Klangbild. Daneben fanden sich aber durchaus schön gestaltete lyrische Passagen beim zweiten Thema von Op.20, mit seinen Kantilenen. Sicher: perlende Läufe sucht man hier vergebens, man könnte die Artikulation in schnellen Läufen als summarisch bezeichnen, und in Op.31 war die Begleitung in der Linken klanglich etwas gar kompakt, viele Details in Chopins Klaviersatz waren für den Hörer bei dieser Geschwindigkeit nicht nachvollziehbar, und an manchen Stellen hätte ich mehr agogische Gestaltung gewünscht. Es war definitiv nicht ein Chopin, wie man ihn kennt – eher Chopin im Stile Liszts? Oder ein russischer Chopin?
Die Consolations 2 & 3 von Liszt waren an sich schön gestaltet, ermangelten mir aber etwas der Poesie; die Melodie in Nr.3 war wunderbar singend, mit Gestaltungsbögen und Haltepunkten—da fehlte streckenweise der Mut, Langsamkeit durchzuhalten: gelegentliches, leichtes Accelerando störte die Ruhe des Stücks. Mit dem Mephisto-Walzer fanden wir uns dann zurück in der Virtuosität, beinahe in einem Geschwindigkeitsrausch: rasches Spiel, nicht gehetzt, doch in den bewegten Passagen fast beständig vorwärts stürmend, mit viel Kraft und Volumen in den Oktavparallelen, mit eindrücklichen Steigerungswellen und dem Fokus auf Dramatik, nicht auf Klarheit. Vom Charakter her erinnerte mich Malofeevs Darbietung eindeutig an Matsuevs Interpretation dieses grotesken Walzers.