Furios und überall hin sichtbar starteten das London Symphony Orchestra und sein neuer Musikdirektor unter dem Claim „This is Rattle“ in die neue Spielzeit. Ganz Europa, Asien und die bedeutenden Bühnen in den USA versuchten daher vorausschauend, dieses frisch vermählte Paar der Ereignisversprechung auch in ihre Häuser zu lotsen. Geschafft hat das unter anderem die Kölner Philharmonie, in der es sich zum neuen Jahr präsentierte und Rattle sogar noch einmal vorbeischauen wird, wenn er mit dem zeitgleichen Abschied als Chef der Berliner Philharmoniker auf Tournee geht. Programmierte er aus beiden Anlässen Konzerte mit seinen Lieblingswerken, landeten diesmal Schubert, Mahler und Bartók auf dem genüsslich hörbaren Wunschzettel.
Die Werke verbindet natürlich Spezielles, Komponisteneigenes, Persönliches und Existenzielles, auch wenn man das gerne von Vielem behauptet. Musikalisch offensichtlich wurden in der Zusammenstellung gar leitmotivähnliche Mittel wie der Blechbläserchoral oder die leisen Kontrabässe, mit deren formidablem Pianissimo Rattle Schuberts „Unvollendete“ dunkel und geheimnisvoll eröffnete. Das Holz, bei dem neben der Klarinette vor allem Flöte und Oboe für die herausgestellten Akzente sorgten, erhellte die Szenerie, die Rattle durch energischen Kontrast in (zuvorderst) Dynamik und Artikulation aufblenden ließ. Klangschön kompakt, dabei aber geschmeidig und beispielsweise durch Hörner und Celli lieblich-ländlich agierte das LSO, zu der eine Transparenz kam, bei der die nicht-antiphone Aufstellung nicht zu sehr ins Gewicht fiel. Bei aller bespielbaren Detailliebe Rattles, die er im aufgeladenen Allegro moderato forderte und herauskitzelte, bleibt jedoch fraglich, warum er trotz sowieso vorgenommenen Pausenumbaus nicht von seiner nun meistens je nach Stück gewählten Orchesterdisposition Gebrauch machte, die zudem zu Mahlers Vorliebe gepasst hätte.
Deutlich erkennbar war hingegen Rattles Leidenschaft, die sich auch im Ausfluss unnachgiebiger Zeichengebung artikuliert auf die Musiker übertrug, die das Andante con moto mit lebendigen, dynamischen Abstufungen und empfindsameren Streicher- und Bläserbetonungen versahen, sodass sich das vielseitige Bild des Satzes ausfüllte: festlich und sinnlich-klar, bei der elegische Eintrübungen vom wilden Aufbäumen wahlweise weggefegt oder begleitet, schließlich von sonniger Gemütlich- und Beschaulichkeit warm umstrahlt wurden.
Auf die Färbungen von Klarheit und Wärme traf der Hörer übereinstimmend überleitend in Mahlers Rückert-Liedern mit der Stimme von Rattles Ehefrau Magdalena Kozena, die sich in geänderter Reihenfolge mit „Liebst du um Schönheit“, der letzten Vertonung aus der Orchestrierungs-Feder von Mahler-Schüler Max Puttmann, mit nicht überladenem, feinfühligen, diktionsreichem Mezzo vorstellte. Dieser war dann gut verständlich, wenn er nicht bei einsetzenden Bläsern überdeckt wurde. Hier wäre die zuvor zur Schau gestellte Dynamikvarianz seitens des Orchesters hilfreich gewesen.