Der Pianist Sir András Schiff erfreut sich in Berlin einer solchen Beliebtheit, dass er mit einem Solo-Klavierabend den Großen Saal der Philharmonie fast füllen kann. Er liebt es, seine Programme genau auszutüfteln und auf mehrere Abende innerhalb einer Spielzeit zu verteilen. In diesem Jahr wählt er die Klavierstücke des späten Brahms’ und verbindet sie mit Werken anderer Komponisten, denen sich Brahms besonders zugewandt fühlte. Im Januar spielte er den ersten Teil. Im Februar lässt er nun den zweiten folgen. Der Essay-Titel des Programmhefttextes „Was Abschied heißt“ war durchaus trefflich gewählt. Er ließ den roten Faden erkennen, der dieses Programms durchzog.
Eröffnet wurde der Abend mit Schumanns Geistervariationen, um die sich so manche Legende ranken. Schiff trug in dem ihm eigenen wohlartikulierten Spiel das choralartige Thema ganz bedächtig vor. Schritt für Schritt ließ er diesem die zunächst noch recht konventionellen Figuralvariationen folgen und ging dann in die Charaktervariationen über, die durchaus eine Nähe zu Brahms aufweisen. Offenbar möchte er nicht vom Beifall unterbrochen werden, denn er ließ die Werke ohne Pause aufeinander folgen. Dabei lief er Gefahr, dass Mancher im Saal das Erste der Drei Schumann unmittelbar angeschlossenen Brahms'schen Intermezzi noch als eine weitere Geistervariation hörte. Zumindest Hörer, die diese Stücke nicht kennen, dürften etwas irritiert gewesen sein. Was die Fingerfertigkeit betrifft, sind die Intermezzi nicht schwer zu spielen. Doch muss ein Pianist ganz vertraut mit Brahms sein, um sie so wiederzugeben, wie es sich Brahms wohl gewünscht hätte. Schiff spielte sie ganz unaufdringlich und ohne Illusion, so wie diese Stücke keinen Trost mehr spenden möchten.
Mozarts Moll-Perle, das Rondo in a-Moll, romantisierte Schiff nicht, sondern trug sie, fein ziseliert und mit der Unerbittlichkeit vor, in der Mozarts Stücke in Moll am besten zu spielen sind.
In den dann folgenden Sechs Klavierstücken von Brahms stieß Schiffs Absicht, aus dieser späten Musik nicht die letzten Dinge heraus destillieren zu wollen, sondern diskret von ihnen zurückzutreten, mit angezogener Handbremse zu spielen und so distanziert auf diese Stücke zu blicken, dann doch an ihre Grenzen. Das erste Intermezzo verlangt durchaus schweres Appassionato, und das Allegro energico der Ballade darf gerne trotziger hervortreten als es bei Schiff hörbar wurde. Ganz groß spielte Schiff dann aber das letzte Stück. Nicht allein die Dies-Irae-Figurationen intonierte er wie eingefroren, sondern machte auch die Posaunen des Jüngsten Gerichts hörbar, die im Mittelteil des Stücks dann das Deutsche Requiem in Erinnerung riefen.