Nach sieben Jahren Sanierung ist die Staatsoper Berlin wiedereröffnet worden. Und bevor sie für zwei Monate noch einmal geschlossen wird, gab es einige Aufführungen im renovierten Haus zu hören. Bei stark verbesserter Akustik hört man endlich einen klar konturierten, nicht mehr den oft dumpf-mulmigen Klang früherer Zeiten. Zu den Festlichkeiten wurden die Wiener Philharmoniker eingeladen, denen die neue Akustik ebenso entgegen kommt wie dem 2001 zum Ehrendirigenten ernannten Zubin Mehta, denn er gehört zu den Orchesterleitern, die ihre Aufführungen grundsätzlich auf Durchsichtigkeit und Brillanz des Orchesterklanges ausrichten.
Eröffnet wurde das Konzert mit Brahms‘ Tragischer Ouvertüre. Wie oft wird bei ihr zu dick aufgetragen und so ein Ton erzeugt, der sich als speckig charakterisieren lässt. Die ruhige Leitung Mehtas ließ die Wiener entspannt spielen, zahlte aber dafür den Preis, dass die Aufführung bei aller Transparenz etwas unentschieden geriet. Allerdings gab diese Unaufdringlichkeit dem Hörer die Möglichkeit, die Prozesse thematischer Entwicklung zu verfolgen ohne von dem Pathos erdrückt zu werden.
Dass Mehta die Musik, die er dirigiert, gerne in ein elegantes Gewand kleidet, passte zum so leichten wie heiteren Charakter von Haydns Sinfonia Concertante weit besser als zu Brahms. Als Student hatte Mehta in Wien gelernt, wie man ein Orchester spielen lässt ohne dirigierend einzugreifen, sondern es wie unbemerkt zu führen, damit es entspannt agieren kann. Sparsam akzentuierte er in seiner Zeichengebung und überließ den Musikern das Feld. Wer so hervorragende Solisten im Orchester hat, der muss keinen Virtuosen einladen, sondern lässt den Konzertmeister Rainer Honeck, den Solocellisten Robert Nagy, den Solooboisten Martin Gabriel und die Fagottistin Sophie Dartigalongue auf das Podium treten und eine Musik spielen, die viel zu selten zu hören ist. Die vier Mitglieder des Orchesters konzertierten solistisch und im Quartett, bildeten Duette und Terzette. Sie wollten keine Botschaft transportieren oder unterdrücken – sie wollten Musik machen. Und das gelang so vorzüglich wie quicklebendig.
Nach der Pause war Bartóks Konzert für Orchester zu hören. Der Komponist schrieb in seiner letzten vollendeten Orchesterpartitur nicht allein ein Virtuosenstück, in dem die einzelnen Instrumente und Instrumentalgruppen konzertierend oder solistisch hervortreten, sondern gestaltete in ihm am Ende des Zweiten Weltkriegs eine noch heute aktuelle Botschaft. Mehta und dem Orchester gelang es zu Beginn, die Musik wie aus der Tiefe entstehen zu lassen und dabei das motivische Material der ganzen Komposition vorzubereiten. Wer über solche Blechbläser verfügt wie die Wiener, der kann die Fugato-Abschnitte in der Durchführung auch so differenziert gestalten wie in dieser Aufführung. Doch von der „Finsternis des ersten Satzes“, von der Bartók selbst gesprochen hatte, war doch zu wenig zu hören. Nur brillant ist dieser Satz nicht. Allerdings verbirgt sich das Erschütternde in der Partitur auch hinter der glänzenden Instrumentation und im Reichtum thematischer Erfindung. Insofern hat Mehta aufgeführt und nicht interpretiert – und das ist sein gutes Recht! Der zweite Satz geriet, ganz im Sinne Bartóks, zu einem herrlich unbeschwerten Spiel der Instrumentenpaare voller brillanter Figurationen. Ernst wird es im dritten Satz, der „Elegia“, die Bartók selbst ein Klagelied nannte. In ihm sirren und flirren Erinnerungen, sie seufzen und schreien. In der Dramaturgie der Aufführung bildete sie ein ruhendes Zentrum und retardierendes Moment zugleich.