2019 begannen die Wiener Philharmoniker das Projekt, gemeinsam mit Christian Thielemann alle Symphonien Bruckners – inklusive zweier selten gespielter früher Symphonien – einzuspielen. Drei Jahre später ist das Orchester-Dirigenten-Dreamteam nun im Rahmen der Salzburger Festspiele am Ende des Zyklus angelangt. Wie bereits in den vergangenen zwei Jahren stand aber auch in diesem Jahr vor der Bruckner-Symphonie noch ein Kurzbesuch von Elīna Garanča am Programm.

Elīna Garanča und Christian Thielemann
© Salzburger Festspiele | Marco Borrelli

Zu hören gab es nach den Wesendonck-Liedern 2020 und den Rückert-Liedern 2021 dieses Mal aber keinen weiteren Liedzyklus, sondern die Alt-Rhapsodie von Johannes Brahms. Unter der Leitung von Thielemann schufen die Wiener Philharmoniker eine dunkel schillernde Klangkulisse – stets darauf bedacht, sich nicht zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Garanča dabei zuzuhören, wie sie ihre Stimme ebenso bruchlos wie elegant durch das Festspielhaus strömen lässt und dabei sowohl in leisesten Piani als auch im Crescendo höchste Kontrolle über ihr Instrument hat, war einmal mehr beeindruckend. Und auch die Gestaltung des Textes – eines Fragments aus Goethes Harzreise im Winter – geriet eindringlich und voll Emphase, wenn auch nicht immer ganz wortdeutlich. Garančas Mezzosopran hat in den letzten Jahren zweifellos an Substanz und Klangfarben in der Tiefe gewonnen, dennoch wirkten in den tieferen Passagen des Werks einige Töne dann doch eher härter erarbeitet als mühelos entstehend; hingegen geriet das finale Adagio (in dem die Solistin von den Herren des Wiener Staatsopernchors auf himmlisch-verheißungsvollen Klang gebettet wurde) dank scheinbar aus dem Nichts entschwebender, schimmernder Klangfäden zu einem berückenden Moment höchster Schönheit.

Bei Anton Bruckners unvollendeter Neunter Symphonie arbeitete Thielemann danach die scharfen Kontraste des Werks zwischen polternder Staccato-Attacke und süffigem Schwelgen fein heraus und animierte das Orchester vom Pult aus mit vollstem Körpereinsatz zu einer Melange aus Ekstase und Kontrolle. Der Fokus seiner Interpretation lag dabei stärker auf dem großen Ganzen, dem dramaturgischen Spannungsbogen, als auf den Ecken und Kanten einzelner Passagen. Die Wiener Philharmoniker bestachen mit dem ihnen typischen weichen, runden Klang, der selbst im Fortissimo und bei dissonanter Weltuntergangsstimmung noch delikat wirkt. Das Spiel mit der Dynamik und das bewusste Setzen von gestalterischen Akzenten schien zwischen Orchester und Dirigent dabei schon beinahe intuitiv zu geschehen, sodass sich das Changieren zwischen Vorahnung eines Weltuntergangs und der Hoffnung auf Erlösung organisch entwickeln konnte. Und so erhob sich aus der brutalen Monumentalität des Adagios schließlich auch wie selbstverständlich das versöhnlich-friedvolle Finale, in dem die Bläser nochmals mit überirdisch zarten Klängen für Gänsehautmomente sorgten. Neben all der musikalischen Qualität wurde der Konzertvormittag auch durch die spezielle, gefühlt jedes Jahr enger werdende Beziehung zwischen Christian Thielemann, den Wiener Philharmonikern und dem Festspielpublikum geprägt: Wartete das Publikum zunächst noch einige Momente der Stille und Spannung nach den letzten Tönen ab, entlud sich die Begeisterung schließlich in Form von in dieser Intensität in Salzburg seltenen Bravo-Rufen und Standing Ovations.

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