Ihren Abend von Beethoven, Ligeti und Brahms begann Lise de la Salle mit einigen kurzen Erklärungen zu den Beethoven-Sonaten. Musste sie sich erst einstimmen? Es schien durchaus so, denn der erste Satz der C-Dur-Sonate präsentierte sich als Wechselbad, eine Art Chiaroscuro von sorgfältig gestalteten Details und Passagen, die eher summarisch gespielt wurden.
Am Ende der Exposition stieß ich mich an den merkwürdig staccatoartig abgesetzten Vorschlägen zu Trillern, die zumindest sehr eigenwillig waren; auch passierten der Pianistin im ersten Durchgang der Exposition etliche Flüchtigkeitsfehler. Diese vermied sie in der Repetition zwar, doch machten sich auch im späteren Verlauf weitere bemerkbar: Im Adagio wollte sich im Rhythmus in den letzten drei Takten des einleitenden Themas das Gefühl für den musikalischen Fluss bei mir nicht einstellen, die Takte wirkten eigentümlich gehetzt, „neben dem Rhythmus“. Auch im Scherzo schien sich kein natürlicher Fluss zu ergeben, zu stark die Ritardandi vor Doppelstrichen, kleine Brüche zwischen Formteilen, und danach hatte das Tempo im Trio hatte keinerlei Bezug zum Scherzo, stand wie ein Fremdkörper im Satz. Das virtuose Allegro assai bot die geschlossenste Leistung, auch wenn das Tempo so hoch angesetzt war, dass die schnellen Passagen gerade noch spielbar waren.
Ähnlich entwickelte sich Op.111: Am Beginn des düsteren Kopfsatzes gestaltete Lise de la Salle die doppelten Punktierungen sehr weich, die kurzen Notenwerte waren fast synkopisch überbetont. Im fugierten Allegro con brio ed appassionato stürzte sich die Pianistin in die Sechzehntel-Passagen, doch auch hier fehlte der natürliche Fluss, war die Verknüpfung der Phrasen untereinander nicht immer ideal, und die berühmte Arietta begann mit einem Missverständnis. Lise de la Salle las Beethovens Tempovorgabe als Adagio molto, semplice e cantabile; entsprechend war das Thema völlig zerdehnt, statisch, viel zu langsam. Nicht unerwartet erfolgte mit der ersten Variation ein Bruch zu einem rascheren Zeitmaß. Der Variationenteil war sicher besser als der Beginn, aber schon in der ersten Variation traten Fehler gleich gehäuft auf, später auch kurze Aussetzer, und die tempomäßige Verknüpfung der Formteile war auch nicht immer ganz harmonisch, es fehlte mir der ganz große Bogen.
Es geht mir hier nicht um beckmesserische Kritik oder perfektes Spiel, aber ich finde solche Fehler merkwürdig für eine Pianistin, die gerade alle Werke für Klavier und Orchester von Rachmaninow eingespielt hat.