Der erste heiße Sommertag in München neigte sich am 15. April dem Ende zu, als um 20 Uhr im Münchner Gasteig das letzte Konzert der Reihe „Große Sinfonien und Konzerte von Tschaikowsky“ eingeläutet wurde. Mikhail Pletnev, der aufgrund eines Todesfalls in seiner Familie nicht wie ursprünglich angekündigt das Russische Nationalorchester dirigieren konnte, wurde vom in Deutschland eher unbekannten Alexander Sladkovsky ersetzt, was sich im Laufe des Abends als wahrer Glücksfall erwies.
Sladkovsky, künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Tatarstan National Symphony Orchestra und „Honored Artist of Russia“, wurde nicht umsonst zum „Conductor of the year 2011 in Russia“ gewählt. Er hatte zwar beim anfänglichen Nocturne in d-Moll sichtliche Schwierigkeiten, die Musiker des großen russischen Orchesterapparats mit dem vorwärtsdrängenden Mischa Maisky in Gleichschritt zu bringen, konnte aber dank seiner Souveränität die geballte Musizierfreude seiner Mitmusiker und Maiskys Verve schon bald zu einem harmonischen Ganzen formen.
Nachdem Maisky sich und das Publikum mit der Nocturne und dem direkt anschließenden Kol Nidrei von Max Bruch in beste Stimmung gebracht hatte, wagte er sich an Tschaikowskys an Virtuosität kaum zu überbietenden Rokoko-Variationan Op.33. Der Veranstalter hatte diesen Variationssatz im Rahmen des Tschaikowsky-Zyklus neben das Erste Klavierkonzert und das Violinkonzert gestellt. Bedenkt man, dass Tschaikowsky seine Rokoko-Variationen als Hommage an den klassischen Stil des von ihm verehrten Wolfgang Amadeus Mozart schrieb und sich mit einem überaus dominanten Solopart an dem zu Mozarts Zeit vorherrschende Konzertstil orientierte, so ist diese Programmauswahl durchaus schlüssig. Wenn zudem Cello-Löwe Mischa Maisky in die Konzert-Arena gelassen wird, dann sind das die richtigen Zutaten für eine kurzweilige Virtuosen-Nummer.
Dass Tschaikowskys Variationszyklus jedoch mehr ist als eine Demonstration dessen, wie schnell und hoch man in der Daumenlage auf der großen Schwester der Violine spielen kann, ließ Maisky von Anfang an das gespannt lauschende Publikum miterleben. So kam es ihm trotz seiner verblüffenden technischen Brillanz nicht darauf an, ob der ein oder andere Ton perfekt in Klang und Intonation daherkam. Er war vielmehr darauf bedacht, die Charaktere der Abwandlungen des galanten Rokoko-Themas möglichst pointiert und vielfältig zu zeichnen. Schon für das einleitende Thema selbst wählte er ein Spiccato, das knackiger nicht hätte sein können. Dieser bedingungslose Mut zum technischen und klanglichen Risiko zugunsten extremer musikalischer Intensität ist sicherlich nicht jedermanns Sache.