In der europäischen Hauptstadt des barocken Karnevals, Venedig, hatte sich Antonio Vivaldi beim Ospedale della Pietà, dessen Musikdirektor er 1716 nach vorheriger Lehrtätigkeit wurde, zusätzlich zum Ruf von Weltrang fast so etwas wie Narrenfreiheit erworben. Als er 1718 wegen Streitereien die Lagune für die Dienststellung beim kaiserlich-österreichischen Gouverneur in Mantua, Prinz Philipp von Hessen-Darmstadt, verließ, lockte ihn der frühere Arbeitgeber 1721 reumütig zurück. Der neue Vertrag, den er neben seiner 1726 eingegangenen Anstellung als Opernhausintendant an Sant'Angelo bis 1740 behalten sollte, sah den Absatz von mindestens zwei Konzerten pro Monat vor, wobei Vivaldi allerdings kaum anwesend sein musste. Der Name zählte, noch. Doch ganz weg war Vivaldi, heimisch in den Stadtteilen Castello und San Marco, in der ganzen Zeit, dann durch die Intendanz, sowieso nie. Denn trotz seiner Aufenthalte in Rom und anderswo pflegte er ausgerechnet ab circa 1718 eine außerhalb seiner Inselräumlichkeiten und in der Republik bis zur 1723 eingetretenen politischen „Normalisierung“ auch außerhalb des Erlaubten gelegene Arbeitsbeziehung zum französischen Botschafter.
Für ihn, also im übergeordneten Sinne König Ludwig XV., schrieb Vivaldi zu bestimmten royalen Feieranlässen, mindestens bis 1727, acht Serenate, von denen heute drei erhalten sind. Am prominentesten ragt dabei La Senna festeggiante von 1726 heraus, wobei die kürzlich mit neuen Einspielungen vertrauter gemachte Mio cor, povere cor eine, wenn nicht die erste gewesen sein dürfte. Die dritte erhaltene Serenata in Form einer weltlichen dramatischen Kantate ist La Gloria e Imeneo, die am 12. September 1725 aus Anlass der Heirat des Königs mit der polnischen Prinzessin Maria Leszczyska bei einer Gartenparty im Botschaftspalazzo aufgespielt wurde. Ja, 1725, als Le quattro stagioni erstmals gedruckt erschienen und La Cave den Komponisten mit berüchtigtem Kupferstich verewigte. Das Kantatenwerk, in dem sich der Hochzeitsgott Hymen quasi als herabgestiegene „Dame welche“ und seine göttliche Durchlaucht selbst, die Allegorie La Gloria, der eifrigen, gegenseitigen Huldigung und Komplimentierung bis zur Hochzeitsnacht vergewissern, stand auf dem Programm vom Brüsseler Barockorchester Les Muffatti bei Musica Divina Flandern-Kempen unter der Festivalausgabe „Füreinander sorgen“.

Gesorgt war dabei für Höchstgenuss, stellten sich Les Muffatti sowie die Gesangssolisten Clint van der Linde und Coline Dutilleul als überragend abgestimmte Einheit aus Grâce und Grandezza, Liebe und Vereinigung, Stil und Ehre in diesem nach wie vor allzu selten präsentierten Musikschmuckstück dar. Begonnen mit der Sinfonia, für die wegen des Fehlens der ursprünglichen Ouvertüre Vivaldis Concerto alla francese (die eigentliche Einleitung zur Senna festeggiante) diente, kombinierte das Ensemble sinnfällig wie extrem festlich und entspannt, mustergültig beherrscht italienische und französische Phrasierung im Einklang mit Rhythmik, Balance und – ebenso sängerfreundlicher – Tempogestaltung. Diese Phrasierung und ihr warmer Ton als interpretatorische Grundlagen und -Entscheidungen zogen dabei stets die gesanglichen Bögen und in Hülle und Fülle kreierten Affekte des Glücks in jeweils äußerst gelungenen Rezitativen und natürlich prächtigen Arien nach, die van der Linde und Dutilleul in ausgesprochen weicher, leichtgängiger Eleganz gepaart mit kontrollierter, aber deutlicher, umso ästhetischerer Ausdrucksleidenschaft, gekonnter deklamatorischer Spannung und stupend versierter Technik von sich gaben.
Sie waren Ausfluss und wiederum Basis für eine nicht wünschenswerter zu vernehmende Stimmführung, mit der van der Linde durch die Seiten seiner klaren, luziden Höhe, allgemein geschmeidiger Register- und Figurensicherheit, versetzt mit Dynamik und atmender Expression, La Gloria den maßangepassten Charakteranzug von Erhabenheit sowie inniger, süßer Lust verpasste. In bestmöglich vorstellbarem Wohlklang ihrer betont reizenden Artikulation und Farbe, mit feiner, kluger Bedacht und Leben einhauchendem Sinn stattete Dutilleul Imeneo so stimmungsvoll aus, dass es ein Leichtes war, entzückendes Wesen und Wesentlichkeit der Prinzessin zu erblicken. Ihre Loyalität und Anmut verband sich im ersten, schließlich im Finalduett zu einem bezeugenden metaphorischen Kuss, der – worteinhaltend bei Musica Divina – Krönung und edle Ekstase symbolisierte, wie an sich Vivaldis ewiger in Noten getauchter Karneval eines frivolen, schillernden Venedigs.