Transparenzhinweise oder Erklärungen des Autors zu Beginn einer Veröffentlichung bedeuten normalerweise nicht unbedingt Gutes. Keine Sorge, das ist hier anders. Obwohl ich bereits im vergangenen Oktober wusste, dass Ton Koopman und sein Amsterdam Baroque Orchestra and Choir 2024 und 2025 Händels erste drei Oratorien auf Englisch aufführen werden, schrieb ich in meiner Rezension zum Projektauftakt bewusst von lediglich zwei Werken. Schließlich nahm ich gedanklich streng Bezug auf die Einteilung der Saison im Generellen sowie auf Koopmans 80. Geburtstag – Ursprung des Ganzen – im Speziellen.

Athalia, Händels 1733 angefertigtes Oratorium über die durch Königsnachkomme Joas mögliche jüdische Befreiung von titelgebender Baals-Tyrannin, das zur Premiere im Sheldonian in Oxford tatsächlich mit seinen Vorgängern Esther und Deborah zusammengespielt worden war, fiel aus meiner Aufzählung heraus, sollte der niederländische Cembalist und Dirigent die Handel’s Heroines-Tour nämlich als mittlerweile 81-Jähriger und damit neuem Lebensjahr in diesem zugewiesener Spielzeit bestreiten. Doch in so gleichsam anschließender, nein, sogar noch fantastisch ausgebauter Qualität zu vorherig gelobten Konzerten, dass historischer Zusammenhang trotz praktisch erzwungener Verteilung über die heutigen Saisons hervortrat; und damit, dass aufhängertechnisch-einleitende „Gute“ also jetzt ausfüllend übertragen werden kann auf das Gehörte.
Unterstützt von der direkten Akustik des Hertog-Jan-Saals im Eindhovener Muziekgebouw, vernahm ich dort denn sämtliche Stimmen hervorragend ausgeleuchtet. Auf instrumentaler Basis so auch die Blockflöten, die sich neben Obligat-Alt und damit Reine-Marie Verhagens Solo in Athalias anfänglicher Besänftigungsarie „Softest sounds” in den Chortutti im Sopranregister bemerkbar machten und durchschienen, als selbst die gänsehautproduzierende Besetzung mit grandiosen Hörnern, Trompeten und Pauken für die rechtmäßige Juda-Macht sowie hymnisch zelebrierte Widersagung und feurige Joad-Joas-Hoffnung rauschend in die Koopman-typischen Vollen ging. Solch Fülle, dass sie das Griffbrett J. W. Meyers Instruments am ersten Pult der zweiten Geigen sprengte. Insgesamt präsentierte sich das ABO reifer und verlässlicher als persönlich je zuvor erlebt. Theatralische, mit Akzenten und ausgeprägter Dynamik unterfütterte Spritzig- und andächtige Gediegenheit wechselten sich organisch ab, um ganz in Händels Rollen- und Affektspiel einzutauchen.
In vokaler Hinsicht ermöglichten diese Balance- und musikalisch glücklichen Grundbedingungen zum einen eine prächtige Klarheit der Chöre, die der ABC in seinen unterschiedlichen Rollen als levitische Jungfrauen, Volk Israels und Baalsgetreue in Einstudierung seines erfahrungsgesegneten Pieter de Groot frisch, majestätisch, geschmeidig sowie phrasierungs- und diktionsgewandt zur Verstärkung von Anrufung, Mitgefühl und Drama kongenial zum ABO nutzte. Zum anderen betteten sie die Solisten, abseits erwähnter Athalia-Arie die rasenden, infektiös wirkenden, technisch und stilistisch geschickten wie vorzüglichen, plastisch weich-schneidenden Bravure Suzanne Jerosmes als aufgewühlte, am Ende trotzig verschmähte Judaherrscherin. Und die der warm-silbrig eleganten, virtuos und durchdringend, flüssig und rührselig zweifelnden Joas-Behüterin Josabeth Ilse Eerens‘, die in Tim Meads volumen- und farbstarken, emotionentragenden Hohepriester Joad einen heldenfähigen wie mutbringenden, aufrichtigen und entschlossenen Beistand-Gatten an ihrer Seite wusste.
Zudem entzückte Bassbariton Andreas Wolf als judäischer Heerführer Abner mit drucklos entfalteter, geläufiger, ansprechend elektrisierender Ehre-und-Dienst-Statur samt rhetorisch röscher Resolutheit, die figurenidentitär herrlich gefürchtet wie stimm-, deklamations- und bühnenpräsent geschätzt ist. In diesen sensationellen Cast fügten sich ebenso nobler wie registerfähiger Tenor Kieran Whites als schafspelziger, unterwürfiger Baalspriester Mathan und Sopran Merel van Geest mit ihren rezitativischen Einsätzen als künftiger König Joas blendend ein. Mit dieser Vorstellung in Eindhoven endete nicht nur Händels Oratorium im sowieso obligatorischen Triumph, sondern auch Koopmans niederländischer Teil der Tour in ebensolchem. Ja, in einem lupenreinen Fest, das auf den genauen Tag seiner Goldhochzeit mit Ehefrau Tini Mathot fiel. Vielleicht war dieser Aspekt eine Mitzutat für dieses interpretatorische, feierliche Jungbrunnen-Spektakel des ABO&C, hatte Händel seine Athalia-Musik übrigens größtenteils für die Trauung Princess Annes und des Prinzen Willem von Oranien wiederverwendet. Gefeliciteerd!

