Welch maßgebliche Stellung Georg Philipp Telemann in der Musikgeschichte hat, ist selbst bis heute, nach meinem Dafürhalten, ab und zu noch ärgerlichem Verkennen ausgesetzt. Etwas besser bestellt ist es da schon um die Carl Philipp Emanuel Bachs; trotz oder aufgrund seines Namens und der Referenzen seitens der großen Wiener Klassiker. Dabei hat er eben Telemann so viel zu verdanken, nicht nur seinen Mittelvornamen durch die Patenschaft des mit Johann Sebastian Bach bestens befreundeten Stars seiner Zeit. Neben dem Einlassen auf den modernen, aufkommenden Stil der Empfindsamkeit und deutlich wiedererkennbaren Merkmalen der Eigenwilligkeit übernahm Bach schließlich auch nach seiner Berliner Periode unter populärerem Chef Carl Heinrich Graun Telemanns Amt als Hamburger Musikdirektor. Und damit ebenfalls für das hanseatische Musikleben gepflogene und gepflegte Stücke Telemanns, wie beispielsweise das prägende Oratorium Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu. C.P.E. Bach schrieb seinem Verleger Breitkopf stolz, dass er seine eigene darauf angefertigte, schon frühklassische Version für eine seiner besten Kompositionen hielt.

Matthias Winckhler mit Francesco Corti und der Nederlandse Bachvereniging © Milagro Elstak
Matthias Winckhler mit Francesco Corti und der Nederlandse Bachvereniging
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Während Telemann das Oratorium 1760 auf Karl Wilhelm Ramlers Libretto notiert hatte, vertonte es Bach 1774 in exakt entsprechender Besetzung und gleichfalls auf die Vorlage ohne Choräle, dafür mustergebend durch die Bestellung nur dreier Solistenparts. Später aufgegriffen eben von Joseph Haydn, der im Publikum saß, als Wolfgang Amadeus Mozart Bachs Auferstehung und Himmelfahrt Jesu 1788 in Wien dirigierte. Stand Telemanns Werk in der letzten Spielzeit der NTR ZaterdagMatinee dankenswerterweise auf dem Programm, war nun in Abbildung dieser anerkennenden Nachfolge-Historie und des 250. Jahrestags seiner ersten Aufführung dasjenige des Bachsohns an der Reihe. Für das Bachoratorium war als erfahrener Kenner der Materie zunächst Frieder Bernius eingeladen, die in ihrem Bachspektrum sich auch immer um den großen Vater herumbewegende und eine Alternative zu ihrer Matthäus-Passion anbietende Nederlandse Bachvereniging zu leiten. Er wurde allerdings ein paar Monate vor der Aufführung durch den ihr bereits bekannten Francesco Corti ersetzt, der gerade die Matthäus-Passionstour des Freiburger Barockorchesters abgeschlossen hatte.

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David Fischer und Anna El-Khashem
© Milagro Elstak

Das Instrumentalensemble der NBV trimmte er dazu wieder bewundernswert auf seine Handschrift drama- und kontraststarker sowie stets zum Text passend affektherrlicher, dynamischer Vitalität und kompakter Elastizität. Mit darüberhinaus fast traumwandlerisch scheinender Sicherheit in Artikulation und Phrasierung offenbarte sich erneut Cortis Lestalent, seine Einstudierungsgabe, exakte Vorstellungskraft und musikalische Ästhetik von universeller Einsatzfähigkeit; so auch eben im vorklassischen, sturm-und-drang-behafteten, noch leicht empfindsamen oder accompagnatogalanten Stil. In den betrachtenden Arien erwiesen sich die von Bach wechselnd bedachten solistischen Instrumentalobligati – als virtuosester Vertreter das Fagott (daran vorzüglich abgeklärt Benny Aghassi) – bestens aufgehoben bei den NBV-Musikern, die überdies jede Tempo- und Rhythmikmarschroute wie selbstverständlich in sich aufnahmen. Zudem war die Balance (bis auf vokal einige Passagen zum Solobass) abgestimmt, selbst wenn der Chor der Nederlandse Bachvereniging mit zwölf Stimmen in seiner üblichen barocken Besetzungsgröße blieb und die Lobpreisungen zwangsläufig – bei all fördernder feinsäuberlicher Aufgeräumtheit und Verständlichkeit – etwas dünner als die instrumentale Textkongruenz anmuteten. Die „Triumphe“ immer kurz prononciert, machte Corti daraus allerdings die Tugend hanseatisch unüberschwänglicher Feierlichkeit.

Trotz Flexibilitätsmöglichkeiten leicht stoisch-gleichförmiger in der (Legato-)Artikulation verhaftet war Matthias Winckhlers elegant bestellter, von resonanter Wärme beseelter Bassbariton, wohingegen David Fischers helle, anspringend ausgestaltete, deklamations- und diktionspräsente, räumlich verständliche Tenorregister wohliger Verve und Frische unterlagen. Er brillierte auch im Duett „Vater deiner schwachen Kinder“ mit Anna El-Khashems Sopran, dessen Ausdruck mit stilistisch besonders schmucken reinen, klaren Höhen, vibrierterer Tiefe und arioser Geschmeidigkeit aufwartete. Im zugegeben bisher nicht allzu reich gesegneten Aufführungskatalog von höchster Qualität bei diesem Oratorium ließen sie mit der NBV und Corti Carl Philipp Emanuel Bach in jenem Genre erheblich Gerechtigkeit angedeihen.

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