Budapest 1914: Kurz nach Ausbruch des ersten Weltkriegs wird im Varieté Orpheum gefeiert, als ob es keine Krise gäbe – eigentlich ziemlich makaber, diese Ausgangssituation der Csárdásfürstin. Den Drahtseilakt, den Anfang vom Untergang der Donaumonarchie nicht zu sehr ins Dramatische, aber auch nicht zur völlig unreflektierten Heile-Welt-Operette abgleiten zu lassen, ist Emmerich Kálmán, mit Hilfe seiner Librettisten Leo Stein und Béla Jenbach, gelungen wie keinem zweiten; die latente Untergangsstimmung schwingt doch immer mit, auch wenn ausgelassen gefeiert wird.
Ganz ohne Kitsch geht es aber in der Volksoper (zum Glück!) trotzdem nicht zu. Die Inszenierung von Robert Herzl erfüllt in üppigem Jugendstil-Bühnenbild von glitzernden Ballettdamen über große Roben für den Chor bis hin zu Operettenuniformen jedes Klischee. Moderner gestalteten sich hingegen die Personenführung, die es schaffte, allen Figuren einiges an Leben und glaubwürdiger Persönlichkeit einzuhauchen sowie die Dialoge, die erfrischend pointiert und unverkrampft gerieten. Überhaupt bestach das gesamte Ensemble an diesem Abend vor allem dadurch, dass sie viel Witz, Temperament und Spielfreude auf die Bühne brachten. Die Gesangsleistungen variierten im Vergleich zur durchgängig ausgezeichneten Theaterkomponente aber zugegebenermaßen doch beträchtlich.
Die Rolle der „Csárdásfürstin“ Sylva Varescu stellte Ursula Pfitzner immer wieder hörbar vor einige Herausforderungen. In der Mittellage schien die Stimme teilweise fast zu verschwinden, ebenso erging es ihr auch in den schnellen Passagen der Auftrittsarie „Heia in den Bergen“. Wunderbar gelang ihr aber die Darstellung der Diva immer dann, wenn ihre aufblühende Höhe gefordert war, die sie stets mit Leichtigkeit und frei von Schärfen einsetzte. Das genaue Gegenteil dazu stellte der Edwin von Szabolcs Brickner dar, dessen Tenor zwar über eine angenehm schmelzende Mitte und Tiefe verfügt, der sich aber an diesem Abend über einige Spitzentöne nur mit Hilfe des Falsetts retten konnte. Völlig überzeugen konnten Pfitzner und Brickner allerdings durch ihr natürlich wirkendes Spiel in ihren gemeinsamen Szenen, die Darstellung der Charaktere als fühlende Personen und mit vollem komödiantischen Einsatz die ganze Vorstellung über.
Mehr durch ihre Freude an ihren Rollen und ihr schauspielerisches Temperament als durch die Umsetzung ihrer gesanglichen Parts fielen Michael Havlicek und Kurt Schreibmayer in den Rollen Boni und Feri Bácsi auf. Als geschickte Kuppler und herzensgute Lebemänner, die außer im Varieté zu feiern offenbar nichts zu tun haben, trieben die beiden die Handlung voran und hatten in jeder Situation die passende Pointe auf Lager. Dass da manchmal Töne ziemlich wegbrachen oder verrutschten – sei’s drum, die sympathischsten und unterhaltsamsten Charaktere des Abends waren sie nämlich allemal. Den Part der Anastasia, um deren Willen Boni (vielleicht) doch noch sein Lotterleben aufgibt, spielte Mara Mastalir nicht nur mit lämmchenhafter Unschuldsmiene, sie sang sie auch lupenrein und mit warmem Timbre sehr gefühlvoll. Somit positionierte sie auch die Komtesse geschickt als Kontrapunkt zum von Standesdünkeln kontrollierten Adel einerseits und der sich vergnügenden Budapester Society andererseits.