Während Giovanni Antonini die Aufführung und Einspielung aller Symphonien, auch der Oratorien Joseph Haydns bis zum 300. Geburtstag des Komponisten im Rahmen des Basler Stiftungsprojekts Haydn2032 vorbehalten ist, darf parallel René Jacobs seine Interpretation von Haydn-Werken mit dem Kammerorchester Basel zusammen mit der Zürcher Sing-Akademie unterbringen. Nach dem Stabat Mater 2021 (2025 wiederholt) und vor dem Salve Regina (2025) stand die Missa Cellensis in honorem Beatissimae Virginis Mariae als Auftakt der Beschäftigung mit den großen Messen über die nächsten vier Spielzeiten am Programm in der Kölner Philharmonie.

Dennoch befand sich auf Jacobs‘ Programm auch Symphonisches, und zwar die Nr. 44, die bei Haydn2032 erst letztes Jahr anstand; zugleich war Antonini bereits die Missa in tempore belli angegangen – die nächste Dopplung, die allerdings streng genommen dadurch entkräftet wird, dass sie seinerzeit vom Giardino Armonico, nicht eigens vom KOB gespielt worden war. Aber kann es zu viel Haydn geben? Es verbietet sich, diese rhetorische Frage einer Antwort zu unterziehen, viel eher gebietet es sich, die merkliche Vertrautheit und imposante Verlässlichkeit sowie dabei ungebrochene Spielfreude und natürliche Klarheit des antiphon disponierten Kammerorchesters Basel herauszustellen, die mit Konzertmeister Baptiste Lopez in dynamischer, akzentuierter und phrasierungspraktischer Umsetzung Kontinuität, Zusammenhalt und stets reibungslose Balance gewährleistete.
Darüber hinaus ergeben sich bei solch Programmierung unweigerlich Vergleichsparameter, angefangen dabei, in der Symphonie statt im Stehen im Sitzen zu musizieren, nahm Jacobs selbst zum Dirigieren Platz. Weiters derjenige Unterschied, dass Jacobs im Gegensatz zu Antoninis prägnanter Klangvorstellung einen entspannteren, leicht lyrisch-kantableren Ansatz wählte, der auf seine Art Raffinessen aufwies, neben der Hervorhebung des Melodiösen auf einigen agogischen Effekten fußte. Fast identisch dazu die generell schnellen Tempi in der e-Moll-Symphonie, die in den Mittelsätzen bei Jacobs noch flüssiger schienen.
Damit bot sich ein vielfältiges, zärtliches und mal kontrastierend intensiver gehaltenes Menuet-Allegretto ebenso lebendig dar wie ein Adagio, das sich wegen Haydns Wunschäußerung, es zu seinem Requiem spielen zu können, nicht wie ein Trauerabgesang zog, sondern den Geist eines romanzierend-frohgemuten, kitschlosen Andenkenperpetuums atmete. Wer – vielleicht als Gewohnheitstier auf seine Kosten kommen wollend – noch Dramatisches erhoffte, den stimmte das Finale zufrieden, als doch mit aufgekratzteren Bögen einem wirklichen Presto freier Lauf gelassen wurde.
Für die Große Mariazeller Messe teilten sich die beiden Kontrabässe nochmals ihrerseits antiphon auf; und der von Michael Gläser einstudierte Chor und die Solisten nahmen im Grunde genommen die Orchesteraufstellung an, wäre dabei nicht der an dieser Stringenz gemessene Schönheitsfehler aufgetreten, Tenöre und Bässe zu vertauschen. Jacobs spendete der Missa durch Giorgio Paronuzzi außerdem ein Orgelvorspiel und versah die Partitur typischerweise mit allerhand individuellen Solo-Ripieno- und vollen Tutti-Eingriffen – neben weiteren von ihm bekannten agogischen –, um die Solisten mehr einzubinden, zudem spannendere und dialogischere Effekte oder unterschiedliche „Dicti“ in einem vokalen Gesamtkorpus zu generieren.
Allgemein hielt Jacobs die Dynamik in mehreren Pianostufen und im Mezzoforte, den Ausdruck leichtfüßig, elegant und – ausgenommen manch stärkerer Paukentöne – gemäßigt, so als stünde ehrfürchtige Demut oder eben titelbildlich und in humanem Empfinden mütterliche Milde über jedem Satz des Gesangbuches geschrieben. Damit fühlte sich die bewegliche, ohne Druck, aber mit exakter Einsatzbetonung, warm gebettet und den beabsichtigten Affekt fein vermittelnd zu Werke gehende, blitzsaubere ZSA wohl. Allein das „Et resurrexit“ wollte mit diesem dann zu kraftlosen Vorgehen, anders zum Beispiel ein doch darin formwahrend dramatischer konstruiertes „Benedictus“, nicht richtig funktionieren.
Kontrolliert sollten demnach auch die Solisten agieren, was Mari Eriksmoen vermöge ihres ästhetischen, bewusst auf Deklamation und Diktion sowie instrumental-, ja verblüffend darmsaitenoptimierter, akkurater Nachvollziehung gerichteten Stils am besten gelang. Beinahe ähnlich auch dem hellen Tenor Mark Milhofers, wäre die lichte Höhe im „Et incarnatus est“ noch präsenter und nicht unglücklicherweise der längste Halteton zu tief gewesen. Gefiel vor allem Kristina Hammarströms dunklere, anschmiegsame Mezzofarbe, weniger ihr gleichförmiges Dauervibrato, absolvierte Bariton Christian Senn seine Einsätze ziemlich solide.