Eröffnet wurde das jüngste Konzert der Berliner Philharmoniker unter der Leitung Kirill Petrenkos mit Mozarts Exsultate, jubilate. Die britische Sopranistin Louise Alder trat auf das Podium und man hörte sofort, dass sie über eine große Erfahrung mit Mozart verfügt. In dieser „für die besten Sänger“ komponierten frühen Motette ist alles verlangt, was von einer gelungenen Darbietung Mozarts gefordert ist: schlichte Lyrik, ein heller, klarer Ton, der feinsinnig jede Nuance des Textes hervorhebt. „Wolken und Stürme“ waren ebenso vernehmbar wie die „dunkle Nacht“, und die große Arie, in der die Koloraturen regelrecht aufblühten. Alder erzeugte dabei die Illusion, dass die perlenden Koloraturen ihrer Kehle so natürlich entsprudeln wie einer Quelle das Wasser. Hier trat das Orchester noch diskret zurück.
Bei Mozarts Krönungsmesse füllte sich das Podium mit den Sänger*innen des Orfeó Català Chors, der als bedeutendster Laienchor Kataloniens gilt. Mozarts Messe C-Dur, KV317 wurde von Simon Halsey, dem früheren Leiter des Berliner Rundfunkchors, und Pablo Larraz einstudiert. Schon der Anfang zeugte von der großen Sorgfalt der Textauslegung. Prachtvoll füllte das Forte mit der Silbe „Ky“ den Raum und trat dann bei „ri-e“ wie mit ehrfürchtigem Erschrecken zurück. Im Gloria bildeten die dreisilbigen Chorrufe regelrechte Säulen in einem imaginären Kirchengebäude, das vom Orchester ausgebreitet wurde. Im Credo oblag es dann dem Orchester, die Botschaft zu vermitteln: Das Ritornell des Beginns trat an allen Schaltstellen des Satzes hervor und stand so für das zentrale, aber eben nur zweimal vorgetragene Wort „Credo“ ein, das auf diese Weise den gesamten Satz nicht allein musikalisch, sondern auch im Hinblick auf den Text trug.
Der Orfeó Català Chor sang das Ordinarium Missae auswendig, in Klarheit und der damit verbundenen Verständlichkeit der Worte auch dort, wo Mozart diese übereinander gesetzt hatte. Mancher im Saal mochte den Chor für überbesetzt gehalten haben, und in der Tat wurde die Krönungsmesse, ob gewollt oder nicht, in dieser Aufführung zu einem Vorläufer von Beethovens Missa solemenis, so gewaltig trat er hervor. Im Incarnatus wurde er auf das bestens miteinander harmonierende Vokalquartett aus Louise Alder, Wiebke Lehmkuhl, Linard Vrielink und Krešimir Stražanac reduziert. In ihre Tonrepetitionen hauchten die Streicher filigrane Abwärtsbewegungen, so als als gelte es, die Menschwerdung Gottes nicht als Erniedrigung, sondern als Liebeserweis zu deuten; während im Agnus Dei Alder noch einmal ihre große Gesangskunst entfaltete.
Bei Schumanns Vierter Symphonie durfte das Orchester für sich alleine glänzen. Petrenko wählte ein zügiges, vorwärtstreibendes Tempo und dirigierte den Kopfsatz derart temperamentvoll, dass sein Taktstock in die Luft flog und er mit bloßen Händen weiter dirigieren musste. Der Präzision seiner Zeichengebung tat dies keinen Abbruch, zumal er es wie stets verstand, das Orchester auch mit Blicken oder mithilfe seiner Mimik zu führen. Allein in der Romanze gönnte die Symphonie sich eine Reminiszenz an eine Zeit, die auf immer verloren ist. Der erste Konzertmeister, Noah Bendix-Balgley, belebte in ihrem Zentrum mit seinem Solo die zu Beginn der Symphonie noch raunende Achtelbewegung zu inbrünstigem Gesang. Ohne Satzpause eilte die Aufführung über das Scherzo hinweg in das Finale. In der ihm vorgelagerten Binnen-Introduktion entstand jene verheißungsvolle symphonische Dimension, auf die alle bisherige Vorbereitung hingearbeitet hatte. Wenn im Hauptthema dann die im Kopfsatz noch gestaltlosen Motive miteinander vereint worden sind und schließlich in der Coda aus dem in den Sätzen zuvor Bereitgestellten ein jubelndes Thema geschaffen wird, dann ist dies keine Vorführung kompositorischer Raffinesse. Die Aufführung diente darum auch nicht allein dazu, die Präzision der Artikulation auch in extremen Tempi vorzuführen, in der nichts verwischt und in der über nichts hinweggefegt wurde. Hier wurde der Glaube an die Erfüllung des anfangs Verheißenen gestaltet. Der jubelnde Ausklang musikalisierte in einer überschwänglichen Feier, dass zumindest in der Kunst die Erfüllung dieser Hoffnung möglich ist.