Wer die glückliche Gelegenheit hatte, Hilary Hahn am Mittwoch in der Kölner Philharmonie zu sehen, war an einen wichtigen Grund erinnert worden, weswegen wir als Menschen musizieren: Es macht Spaß. Spaß hatte die Geigerin sichtlich, als sie Jean Sibelius' Violinkonzert mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI unter der Leitung von Robert Trevino spielte. Sie schlug den Takt mit ihrem Fuß, lächelte, als sie die Melodie dem Orchester übergab und schien mitzusummen, mit rhythmischen Neigen des Kopfes. Sie strahlte die Freude des Zusammenmusizierens hinaus in den gut gefüllten Saal, aber nicht nur das. Ihre Aufführung – ein meisterhaftes Beispiel von technischer Fähigkeit – war zutiefst intensiv. Sie spannte die gesamte emotionale Bandbreite, manchmal innerhalb nur weniger Sekunden.

Der erste Ton des Konzerts, das Sibelius ursprünglich 1904 komponiert hatte, war so leise, dass er fast wie der Widerhall eines Tones klang. Aber nach wenigen Sekunden grub Hahn tiefsitzende Töne heraus, und die Solopassagen, die im Allegro da moderato folgten, waren mit einer unwiderstehlichen Dringlichkeit und Verzweiflung gefüllt, die explodierten, als das Orchestra mit der pochenden Melodie einsetzte.
Diese Intensität erhielt Hahn durch die zwei folgenden Sätze. Das Adagio di molto war durchdrungen von einer Sehnsucht und Wehmut, die sie teilweise erreichte durch ausgedehnte Phrasen, die von der Zeit suspendiert zu sein schienen. Im Allegro ma non tanto spielte sie die teuflischen Oktavsprünge und zahllose hinauffliegende Tonreihen so fließend schwungvoll, als ob sie nichts wären.
Eine solch ausdrucksstarke Interpretation war dank Robert Trevinos bestimmtes, aber aufmerksames Dirigat möglich. Dieser schaute mehrmals lang seitlich Hahn zu, seine Hände schrieben aber weiterhin genaue Phrasierungen fürs Orchester in der Luft.
Sibelius' Konzert ist keines, bei dem sich der Orchester- und Solistenteil wie von selbst reibungslos ineinanderfügen. Es gibt Solos im Orchester, die hervorgehoben werden müssen, Offbeat-Einstiege, Rhythmen, die fast im Wettbewerb scheinen aber dabei präzise ineinander verzahnt sein müssen. Aber das Orchestra und Hahn klangen wie eins. Trevino ließ das Orchestra die Offbeat-Akzente deutlich unterstreichen, was ein schönes kantiges Gefühl verlieh. Es passte gut zu Hahn, die nicht davor zurückscheute, manchmal Töne mit Biss zu spielen. Aber sie ließ die letzte Tonleiter in einen finalen Ton münden, der so beschwingt und vorübergehend war wie ein losgelassener Heliumballon. Mit Spaß endete so auch das Konzert.
Obwohl Hilary Hahn die einzige gelistete Solistin war, gab es durchaus einen zweiten: das Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI. Das Programm war zugeschnitten, um das virtuose Können des italienischen Orchesters zu zeigen, als Ganzes aber auch das der individuellen Musiker. Das Eröffnungsstück des Abends war ebenfalls von Sibelius: Nr. 4 in seiner Orchesterlegende Lemminkäinen zieht Heimwärts. Es erzählt die Rückkehr eines Helden, und das Orchester spielte es mit Großleinwand-Energie. Prächtig vorwärtstreibende Rhythmen wechselten mit üppigen anschwellenden Melodien und triumphierenden Blechbläsern.
Diese und die anderen Bläser glänzten wieder in Modest Mussorgskys Bilder einer Ausstellung (Orchesterfassung von Maurice Ravel). Gleich am Anfang in der Promenade spielte die Trompete das berühmte Solo majestätisch und mit elegantem Legato. Ein erhabener Ausstellungsbesuch lag vor.
Trevino leitete eine heraufbeschwörende Vorstellung, die niemals in die Übertreibung kippte, sondern die fabelhaften Szenen und charaktervollen Melodien deutlich und kontrastreich zu genießen wusste. Im Il vecchio castello spielte das Saxophon übers Orchester mit unheimlich lyrischer Präsenz. Eine ziemlich peppige Limoges. Le marche wandelte sich in einen frenetischen Tutti-Rausch, weil der anfangs grollend-flimmernden Cum mortuis in lingua mortua sich in die Zärtlichkeit der Streicher löste – passend zu der Komposition als Mussorsgkys Andenken an seinen Freund, den Maler Viktor Hartmann, dessen Tod den Komponisten erschütterte und dessen Werk ebenjene Komposition inspiriert hatte.
Ab und zu schien Trevino das Orchester fast zurückzuhalten, zum Beispiel im Bydło. Aber wenn er das Orchestra letztendlich losließ, war es überwältigend. Die Hütte auf Hühnerfüßen (Baba-Jaga) war bodenerschütternd, und mit dem Heldentor (in der alten Hauptstadt Kiew) endete das ganze Werk in einer triumphalen Ekstase, die die Grenze des Fortissimos testete.