Gott oder die Welt? Der Konflikt zwischen Politik und Religion ist fast so alt wie die Menschheit. An Aktualität hat er, leider, kaum verloren – im Gegenteil. Vielleicht hat sich die Bayerische Staatsoper deswegen entschiedenen, Gaetano Donizettis La Favorite nach gut 100 Jahren wieder auf den Spielplan zu rufen. Unter der Regie von Amélie Niermeyer wurde die selten gespielte Grand opéra freundlich, aber nicht überschwänglich vom Münchner Publikum angenommen.
Im Kern geht es in Donizettis Stück aus dem Jahr 1840 um eine Frau, die zum Spielball der Lust wird und daran schlussendlich scheitert. Léonor heißt sie und wird an diesem Abend von Elīna Garanča mit kontrollierter Dramatik und eher distanzierter Anmut gesungen. Als Mätresse des Königs kann sie dabei schauspielerisch jedoch nicht punkten. Ihr zur Seite steht Matthew Polenzani als Fernand. Der Mönchsnovize entsagt ihretwegen einer steilen Karriere im Kloster, bis er erkennt, dass er Léonor als einfacher Bürger nie heiraten können wird. Er verpflichtet sich deswegen zum Militärdienst und hofft auf Promotion. So wurde Polenzani zum heimlichen Star des Abends. Feinfühlig, aber eher analytisch und wenig emotional blieb er in allen Lagen technisch sicher und überzeugte das Publikum nicht zuletzt mit seinem glänzenden „Ange si pur“. Der Hörer litt mit, als er Léonor endlich heiraten darf und erst danach erfährt, dass sie des Königs Mätresse war. In seiner Ehre verletzt flüchtet er sich erneut ins Kloster.
Sein Kontrahent, König Alphonse, der die Heirat hinterlistig eingefädelt hatte, wurde von Mariusz Kwiecień sehr überzeugend, in manchen Szenen aber vielleicht etwas zu übertrieben und fast geckenhaft gespielt. Mit großem Krafteinsatz schmückte der Bariton die eleganten Kantilenen seiner Rolle aus und sorgte in der sonst eher nüchternen Inszenierung für dringend notwendige Abwechslung. Sehr positiv fiel an diesem Abend auch Mika Kares als Balthazar auf. Der kernige finnische Bass verlieh dem Prior nahezu diabolische Züge, und auch Elsa Benoit sang sich als leicht verklemmte Inés in die Herzen des Publikums.