Ein Kronprinz, der nichts davon hält, eine arrangierte Ehe einzugehen und eine Prinzessin, die auch lieber selbstbestimmt leben und lieben möchte – das ist die Ausgangssituation von Franz Lehárs Operette Schön ist die Welt. Aber weil wir uns in einer Operette befinden, quasi dem Romance TV der Jahrhundertwende, kommt es wie es kommen muss. Mehr oder weniger versehentlich begeben sich die beiden inkognito gemeinsam auf eine Bergtour, entkommen knapp einer Lawine, müssen die Nacht gemeinsam in einer Hütte verbringen und verlieben sich dabei unsterblich ineinander. Das 1930 in Berlin uraufgeführte Werk ist dabei eine überarbeitete Version von Lehárs 1914 komponierten Operette Endlich allein und wurde vom Komponisten seinerzeit auf das Traumpaar der Operette – Richard Tauber und Gitta Alpar – zugeschnitten und mit allerlei Alpenromantik garniert.

Sieglinde Feldhofer (Elisabeth) und Richard Samek (Kronprinz Georg) © Werner Kmetitsch
Sieglinde Feldhofer (Elisabeth) und Richard Samek (Kronprinz Georg)
© Werner Kmetitsch

Am Grazer Opernhaus siedelt nun Florian Kutej die Handlung in einem noblen Kitzbüheler 5-Sterne-Hotel an und nimmt dabei allerhand Schicki-Micki-Klischees auf’s Korn. Da beschweren sich etwa Damen mit toupierten Föhnfrisuren mit dem Todschlagargument „Wir sind immerhin Stammgäste!”, Typen mit aufgestellten Polohemdkrägen stolzieren wie Pfaue herum und die vollverschleierten Touristinnen schleppen haufenweise sündteure Designer-Einkaufstaschen von der ausgiebigen Shoppingtour heran.

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Anna Brull (Mercedes del Rossa)
© Werner Kmetitsch

Das Bühnenbild von Isabel Toccafondi verwandelt sich dabei dank gewieft eingesetzter Requisiten und verschiebbarer Wände ebenso flott wie vielseitig – mal in eine Lobby, mal in eine Bar und dann sogar in ein Hallenbad. Ebenso erweist sich die Personenführung als klug ausbalanciert, denn trotz aller klischeehafter Eigenschaften, die die Charaktere aufweisen, werden sie nicht zu Karikaturen ihrer selbst, sondern behalten sich glaubwürdig dreidimensionale Züge bei. Mit viel Glitzer und Glamour geht es in der Inszenierung rasant dahin, wodurch der Abend wunderbar kurzweilig unterhält und die Längen, die das Stück inhaltlich durchaus hat, gut ausgeglichen werden. Das verbindende Element zwischen all den Gästewünschen und royalen Befindlichkeiten ist der Hoteldirektor, den Martin Fournier als schleimigen Schnösel auf die Bühne brachte und dabei jegliches Klischee eines Touristikers in einem noblen Schi-Ort erfüllte.

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David McShane (Der König) und Uschi Plautz (Herzogin Maria Brankenhorst)
© Werner Kmetitsch

Als Strippenzieher der Handlung agieren der König, der seinen Sohn Georg aus politischen Gründen verheiraten will und die Herzogin Brankenhorst, die im Kronprinzen wiederum eine gute Partie für ihre Nichte Elisabeth sieht. David McShane und Uschi Plautz verkörperten diese beiden Charaktere äußerst charmant und verliehen ihren Figuren gleichermaßen Bühnenpräsenz und Sympathiefaktor, etwa wenn sie dem jeweils anderen schonend beizubringen versuchen, dass es mit der arrangierten Ehe der jungen Generation wohl doch nicht klappen wird.

Mit großer Operettengestik, aber nicht ganz daran heranreichender Stimme stattete Richard Samek den Kronprinz Georg aus; sein Tenor wirkte zuweilen angestrengt und rau, obwohl er sich redlich um schön gesetzte Spitzentöne bemühte. Darstellerisch gelang es ihm aber überzeugend, den naturbegeisterten Prinzen auf Abwegen vom höfischen Protokoll zu geben. Ähnlich der Eindruck, den Sieglinde Feldhofer als spielfreudig-unbekümmerte Elisabeth hinterließ, denn auch sie hatte stimmlich mit der Partie etwas zu kämpfen, so manche schrille Höhe trübte da die Wirkung.

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Ivan Oreščanin (Graf Sascha Karlowitz) und Anna Brull (Mercedes del Rossa)
© Werner Kmetitsch

Die Show gestohlen und die Betriebstemperatur des Abends um einige Grad erhöht, hat allerdings das Buffo-Paar: Ivan Oreščanin und Anna Brull ließen als Graf Sascha Karlowitz und brasilianische Tänzerin Mercedes die Operetten-Funken nur so sprühen und boten neben ihren guten stimmlichen Leistungen auch ein wahres Feuerwerk an Unterhaltung. In allerlei Glitzeroutfits gehüllt sorgten sie für auf den Punkt abgelieferte Pointen und großen Showfaktor, wobei man den beiden den Spaß, den sie auf der Bühne hatten, in jeder Sekunde anmerkte.

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Sieglinde Feldhofer (Elisabeth) und Richard Samek (Kronprinz Georg)
© Werner Kmetitsch

Am meisten in ihrem Element waren die Grazer Philharmoniker unter der operettenerfahrenen Leitung von Marius Burkert an diesem Abend immer dann, wenn swingende Spritzigkeit gefragt ist, denn dabei erweckten sie klanglich die 30er-Jahre so plastisch zum Leben, dass man sich beinahe in einem verrauchten Tanzlokal einer Folge Babylon Berlin wähnte; aber auch schwelgende Walzer und großes Gefühl hat das Orchester im Programm, wobei die stilistische Vielfältigkeit der Partitur differenziert und in schillernden Farben zelebriert wurde. Dass sich Operettenbesuche in Graz immer lohnen, bestätigt diese Produktion einmal mehr – vor allem auch deshalb, weil am Haus besonders die selten gespielten Werke des Repertoires mit Begeisterung (wieder-)entdeckt werden.

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