Seit sieben Jahren geben die vier Musiker des Mandelring Quartetts, bestehend aus Sebastian Schmidt, Nanette Schmidt, Andreas Willwoh und Bernhard Schmidt eine eigene Konzertreihe im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie. Bei ihren Februar-Auftritt 2017 mit Schubert und Berg war den Musikern das erste Kompliment bereits zu machen, bevor ein Ton zu hören war. Es gibt kaum eine schlüssigere Zusammenstellung dreier Werke dieser beiden Komponisten, die lebenslang darum gerungen haben, Ausweglosigkeit und Affektbewältigung kompositorisch zu gestalten.
Eröffnet wurde das Konzert mit einem „Werk der Krise“ – einem Stück, das sich dem selbstgesetzten Anspruch des Komponisten noch nicht gewachsen zeigt, denn Schubert kam in seinem 1820 angefangenen Quartett in c-Moll nicht über den Kopfsatz hinaus. Die Form dieses Satzes bricht auseinander, weil in der Reprise das Hauptthema fehlt und das Seitenthema in einer „falschen“ Tonart wieder erklingt. Die Musiker wissen um diese Brüche und bemühten sich zu Recht auch gar nicht darum, die klaffenden Lücken zu schließen. Sie wirkten am Ende beinahe selbst überrascht davon, dass Schubert in den Schlusstakten an den Anfang zurückkehrt, so als ließe sich doch abrunden, was im komponierten Diskurs selbst nicht zum Kreis zu schließen war.
In Bergs sechssätziger Lyrischer Suite ist der Widerspruch von in sich kreisenden Verläufen und Linearität auf ganz eigene Weise zu einer in sich polaren Anlage gebracht worden. Der Titel lässt eine locker gereihte Form erwarten, doch hat Berg die Komposition vom ersten bis zum letzten Ton verbindlich durchgestaltet und ohne jedes Vorbild die Satzfolge auseinanderdriften lassen, indem er das Tempo der drei ungeraden Sätze immer schneller, das der geraden drei immer langsamer werden lässt. Die Aufführung des Mandelring Quartetts war der Gestaltung der Dramaturgie auf das Genaueste verpflichtet. Die Musiker erlagen nicht der Versuchung, ihre Darbietung auf Effekte zu reduzieren und sich vom erregten Flüstern in geräuschhaftes Spiel am Steg und mit Dämpfer zu hangeln, um die komponierte Verzweiflung nur künstlich aufzuladen. Sie stellten sich vielmehr der Aufgabe, die von Berg akribisch gestaltete Konstruktion als Parallelwelt der Ausdrucksvielfalt gegenüberzustellen, sodass keine Versöhnung vorgegeben wurden, sondern Widersprüche stehen blieben. Sorgfältig wurde zunächst das Allegretto gioviale fast unbeschwert intoniert und am Ende wussten die Musiker die Auflösung im letzten Satz fast objektiv zu gestalten. Der Schluss dieses Largo desolato gehört zu den erstaunlichsten Finallösungen, die im 20. Jahrhundert gefunden worden sind: Berg lässt die Komposition verrinnen und ein Instrument nach dem anderen verstummen.