Das Eröffnungskonzert der diesjährigen Festival Academy Budapest bot unter dem Titel „Transfigurations“ ein breites Spektrum an Kammermusik, vom Lied bis zu Strawinskys szenischem Melodrama, von Brahms bis zu klassischer Moderne. Das Festival steht im Gedenken an den vor 50 Jahren verstorbenen Zoltán Kodály, dessen Kompositionen in fast allen Konzerten vertreten sind. Implizit verstand sich der Anlass auch als Ehrung für den letztes Jahr verstorbenen Pianisten und Dirigenten Zoltán Kocsis, der mit den meisten der auftretenden Künstler persönlich in Verbindung stand. Es ist das zweite Mal, dass dieses Festival stattfindet, jetzt als wirkliche Akademie mit Meisterkursen und Vorträgen, zudem begleitet von der ersten „Ilona Fehér International Violin Competition“ für junge Talente im Alter von 8 – 18 Jahren. Das Festival findet in den Räumen der Franz Liszt-Akademie statt, die Konzerte in deren grandiosem Festsaal, dieses Jahr mit der Einschränkung (oder der Bereicherung), dass wegen der Renovation der großen Orgel einige der Konzerte im großen Saal des 2014 wiedereröffneten Pesti Vigadó gegeben werden.
Nach kurzen Ansprachen zur Eröffnung des Festivals begann das Konzert mit dem Mädchenchor Pro Musica unter der Leitung von Dénes Szabó, einem der weltweit führenden Chorpädagogen. Von allen Seiten strömten die etwa 50 jungen Sängerinnen des Chors singend auf die Bühne, stellten sich dabei locker verteilt auf, vom Chorleiter auf der Seite des Saals ganz unauffällig und diskret dirigiert. Der Chor sang mit schlichten Trachten in dezenten, bedeckten Farben bekleidet ausschließlich Werke von Zoltán Kodály, zu Beginn ein vielstimmiges Stück, dessen Stimmen sich harmonisch zu einer Art vokalem, schillerndem Glockengeläut vermengten, danach drei virtuose, meist schnelle Chorwerke – volkstümliche, eingängige Musik, die dem Publikum offenbar unmittelbar zu Herzen ging. Das erstaunliche an dieser Darbietung war nicht etwa eine kunstvolle Gesangstechnik und Stimmgebung, wie sie in westeuropäischen Konservatorien vermittelt wird, sondern vielmehr die absolut natürliche Art des Singens, die Einheitlichkeit der Tongebung, und vor allem die umwerfende, absolute und relative Intonationssicherheit. Trotz der sehr lockeren Aufstellung waren keine Abweichungen hörbar, die Stimmung hielt sich über fünf Minuten auch im Pianissimo problemlos. Die Zugabe sang der Chor über drei Seiten des Saals verteilt. Der Applaus machte es klar: Musik, die in diesem Volk lebt!
Es folgten die 1945 geschriebenen Metamorphosen von Richard Strauss, in einer Version für 7 Streicher von Rudolf Leopold. Verglichen mit der Originalbesetzung von 23 Streichern erzeugten die von Aleksey Semenenko angeführten Musiker mehr Fokus, direkteren Kontakt zum Publikum, auch bei geringerer Klangfülle. Dabei waren speziell die leisen Stellen total verinnerlicht, und in den intensiven Partien schien das Klangbild demjenigen der vollen Besetzung in nichts nachzustehen. Die Streicher spielten mit ausgezeichnet abgeglichener Stimmgebung, auch im gut dosierten Vibrato. Es ist Musik mit so typisch Straussscher Harmonik, mit unerhörter Dichte und Intensität: ein „Bad in spätromantischer Harmonie“. In dem Maße, wie sich das Ohr an die kammermusikalische Besetzung gewöhnte, schien das Ensemble und damit der Klang der Musik zu wachsen. Einzig im letzten, langen Decrescendo fühlte ich ein leichtes Nachlassen der Spannung, der Intensität – allerdings ist dies wohl ohnehin der schwierigste Teil des Werks, zumal bei so kleiner Besetzung.