Lyrik, Lied, Neue und Alte Musik sind besondere Faibles, daher sinnig auch Schwerpunkte in der künstlerischen Arbeit der Münchener Sopranistin Anna-Lena Elbert. Somit ebenfalls folgerichtig, dass drei dieser gehegten und gepflegten Elemente – eigentlich doch alle vier, ist sogenannte Alte Musik mit ihren Entdeckungen oftmals immer wieder neu in Repertoire und unter das Publikum gebrachte Hörerfahrung – Grundlage des ersten eigenen CD-Projekts mit der auch in München aktiven und durch einige Recitals bestens mit ihr vertrauten Gambistin Friederike Heumann waren, dessen Titel Dreames & Imaginations – Poeticall Musicke to be sung to the Lyra viol komponentenverbindender kaum geht.

Friederike Heuman © Dorothee Falke
Friederike Heuman
© Dorothee Falke

Unter dem literarischen und gleichfalls verallgemeinernden Obermotto „Alte Meister“ diesjähriger Resonanzen im Wiener Konzerthaus in Würdigung des österreichischen Literatenkauzes Thomas Bernhard war es Teil der intrafestival’schen Beleuchtungsarme England und Gambe, wobei die Texte, Lieder, Melodien und Bassgrundierungen spätrenaissance- oder früh- bis hochbarockzeitlicher Könner wie Robert Jones‘, Tobias Humes, William Corkines, John Dowlands und Henry Purcells natürlich einen weitgefächerten Bezug schufen zu den (Vor-)Lieben des Schriftstellers: englische Schuhe, „bezichtigendes“ Granteln und Humor, seine Hedwig, das Spezielle und (motorisiertes) Fortbewegen.

Leider sollte Elbert ihr Programm am Abend krankheitsbedingt dabei nicht selbst vortragen können, doch war mit ihrer Kollegin Carine Tinney zum einen derart fabelhafter Ersatz organisiert, dass der Ablauf der selbstredend technisch nicht mit barocken Bravuraarien zu vergleichenden, aber eben trotz aller vorhandenen Spezialisierung nicht mal einfach so im Repertoire befindlichen Songs beeindruckend unverändert blieb. Und zum anderen mit ihrem phänomenal timbrierten und stilsicher-phrasierten Sopran solcher, dass die mit fest eingeplanter Dowland-Encore Come again aus dem CD-Set sechzehn gesungenen Ayres zu sinnlich nahbaren Preziosen wurden. Womit ich „come again“ übrigens nicht bloß als allgemein witzig passenden Appell für die ohnehin begeisterten Alte-Musik-Aficionados und -Aufgeschlossenen verstand, sondern als innig-ernsten, konkreten Wunsch, den Musiktraum schnell wieder erfüllende Wirklichkeit werden zu lassen.

Denn Tinney hatte, um die Preziosen exemplarischer und emotionsempfangender zu beschreiben, mit wunderbaren Registerfarben, naturgewandter Dynamik, theatralisch kongruenter Stimmgestik und Mimik sowie affektgesteuerter wie folkloristischer Bewegung der pastoralen, verlangenden, menschlichen Melancholie Jones‘ und Humes genauso einnehmenden Ausdruck verliehen wie den verschmitzten, lächelnden, charmanten und beflügelnden Hoffnungen der Liebe. Besonders vokal und expressiv daheim und somit in orpheus’scher Überzeugung samt mitunter etwas hemdsärmeligem Touch war Tinney im bekannten oder mit „T’was within a furlong of Edinborough Town“ aus The Mock Marriage wenig bekanntem Purcell, der zugleich beste Erinnerungen an ihre hervorragenden Produktionen allein aus letztem Jahr revitalisierte.

All dies in vorzüglicher Virtuosität und Balance in der Begleitung mit in Purcells „Strike the viol“ aus der Birthday Ode for Queen Mary aufgezählter Besetzung aus Sopranrenaissancelaute und Barockharfe nachempfindend beziehungsweise instrumental einklänglich unterstützend, präsentierte Heumann ihre Fähigkeiten an und den intensiven, intim-reichen, damit alles vorurteilsvolle, vermeintlich Spröde zersprengenden Vorteil der Gambe. Neben Corkines Beispielen von Walsingham, Pavin und If my complaints an „normalem“ Modell speziell an jenem der Lyra viol, der etwas kleineren in England zu jener Zeit gebräuchlichen Bassgambe, aus der später durch weitere Veränderungen der unter anderem mit Haydn prominent vorzufindende Baryton hervorging.

So faszinierte Heumanns Lyra viol mit klarer, einfühlender, aus Stimme, Text und Herzen gewandter Ansprache – ob arco oder pizzicato –, Flexibilität und leichtgängiger, motorischer Eleganz, sei es mit col legno-Springbogen, Doppelgriffen und Arpeggien in Humes Harke, harke – Woope doe me no harme oder generell mit versiert gelungenem Finger- und Bogendruck und Ornamentik. Ihr gleich tat es sehr fein Evangelina Mascardi an der Laute, die René Samans Monsieur Saman his Coranto sowie Dowlands Praeludium und Lied If my complaints could passions move zu zärtlichen, tröstlichen Traumdestillaten veredelte. Zusammen mit Angélique Mauillons Harfe lebte John Danyels harmonisch entzückende Passymeasures Galliard abseits nur herrlicher Berieselung auf. Sie alle zeigten also, was fantastisch gesungene und gespielte Musik möglich macht – das musste hier geschrieben werden!

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