Als Claude Debussy die Arbeit an seiner Suite bergamasque begann, war an einen großen künstlerischen Durchbruch als Komponist noch nicht zu denken. Zwar hatte Debussy bereits sechs Jahre zuvor den ersten Hauptpreis des renommierten Prix de Rome erhalten, die damit verbundene Möglichkeit, sich finanziell unabhängig im Stipendienprogramm in Rom künstlerisch zu entfalten, behagte ihm allerdings nicht wirklich. Auch die Arbeiten, die er der Académie des Beaux-Arts im Rahmen seines Romaufenthalts vorlegte, stießen kaum auf positive Resonanz.

Nachdem er 1887 seinen Aufenthalt in Rom abgebrochen hatte, kehrte Debussy nach Paris zurück und lebte als Bohemien von den knappen Einnahmen einiger Gelegenheitskompositionen. In diese Phase fielen auch die ersten Arbeiten an der Suite bergamasque, deren Entstehungsgeschichte durch Debussys unsteten Lebensstil als junger unbekannter Künstler nicht mehr lückenlos nachgezeichnet werden kann.

Obwohl Debussy bereits 1890 mit der Arbeit an der Klaviersuite begann, landeten die Arbeiten des noch unbekannten Komponisten achtlos in der Schublade seines Verlegers. Erst 1902 tauchten die Manuskripte wieder auf. Der Verleger Fromont erwarb die Werke des nun längst erfolgreichen Impressionisten Debussy und gab die Suite 1905 in einer überarbeiteten Version heraus. Welche genauen Veränderungen Debussy an der Suite in den 15 Jahren zwischen Beginn der Arbeit und der Drucklegung vornahm, kann man heute nicht mehr mit Sicherheit nachvollziehen. Auch ob das weltberühmte „Clair de Lune“ bereits Teil der frühen Suite war, ist nicht gewiss. Obwohl das Werk wohl ursprünglich als dreisätzige Suite geplant war, entschied sich Debussy bald dafür, einen vierten Satz hinzuzufügen.

Als Fromont die Werke erwarb, waren neben dem „Prélude“ und „Menuet“ zwei Sätze mit den Titeln „Promenade sentimentale“ und „Pavane“ vorgesehen. In der Erstausgabe wurde aus dieser Satzfolge schließlich die heute geläufige Satzfolge aus „Prélude“, „Menuet“, „Clair de Lune“ und „Passepied“. Ob es sich bei den beiden letzten Sätzen nun lediglich um Titeländerungen, bearbeitete Fassungen oder gar um Neukompositionen handelte, lässt sich nicht mehr nachvollziehen.

Den Titel Suite bergamasque wählte Debussy in Anlehnung an die barocken Tanzsuiten, die häufig in mehreren Sätzen Tänze aneinanderreihten. Den Zusatz „bergamasque“ übernahm Debussy wahrscheinlich aus dem Gedicht „Clair de Lune“ von Pierre Verlaine, das auch als Inspiration für den gleichnamigen dritten Satz diente.

Obwohl die Suite so lange auf ihre Veröffentlichung warten musste, entwickelte sich gerade das „Clair de Lune“ zu einem der beliebtesten und bekanntesten Klavierwerke Debussys und gehört heute zu den berühmtesten Werken klassischer Musik überhaupt. Ein solcher Ruhm ist den anderen Sätzen der Suite nicht zuteilgeworden. Mit seiner frühimpressionistischen Tonsprache hebt sich „Clair de Lune“ allerdings auch deutlich aus der sonst an einer barocken Tonsprache orientierten Suite hervor. Bereits die eröffnenden Akkorde des Satzes deuten die schwebende, träumerische Charakteristik des Werkes an, die mit ihrer nachdenklichen Melancholie unmittelbar das fahle Mondlicht in Erinnerung rufen, das Pierre Verlaine in seinem Gedicht beschreibt. Debussy vertonte das Gedicht, das Verlaine in seinem Gedichtband „Fêtes galantes“ bereits 1869 veröffentlicht hatte, schon einige Jahre vor der Suite bergamasque für Sopran und Klavier. Beeindruckt von der Stimmung der lyrischen Vorlage war es Debussy wichtig, mit seiner Version für Soloklavier den langsam kreisenden Mond, der sein Licht durch die Blätter der Bäume wirft, einzufangen.

Dafür nutzt Debussy große Legato-Bindungen in der Melodieführung und auch in der rhythmischen Gestaltung findet sich eine gewisse Unbestimmtheit, die besonders durch die fehlende Betonung der ersten Zählzeiten hervorgerufen wird. Die Melodie des ersten Themas hat einen sehr fließenden Charakter mit einer stetigen Achtelbewegung ohne große Intervallsprünge, was für den Zuhörer diese ganz spezielle nächtlich, mystische Atmosphäre vor Augen ruft. Die scheinbare Zerbrechlichkeit des Themas rührt daher, dass Debussy auf tiefe Basstöne verzichtet. Aber auch die gewählte Tonart leistet ihren speziellen Beitrag zur Atmosphäre des Werks. Für Debussy war Des-Dur die perfekte Tonart, um warme und weiche Melodien zu komponieren und so verwundert es nicht, dass er die Tonart gerne in lyrischen Werken einsetzte.

Wenngleich die übrigen Sätze der Suite bergamasque hinter dem Erfolg des „Clair de Lune“ zurückblieben, sind sie nicht minder interessant, insbesondere weil sich Debussy hier größte Mühe gab, die alten Traditionen des Barock mit seinem eigenen Stil zu verbinden. Etwas Ähnliches versuchte auch Debussys jüngerer Kollege Maurice Ravel einige Jahre später mit seiner Klaviersuite Le Tombeau de Couperin, die sich dem Werk des barocken Komponisten François Couperin widmete.

Dem ursprünglich barocken Charakter der Suite als Abfolge von Tänzen folgend, betitelte auch Debussy zwei seiner Sätze nach alten Tänzen des französischen Hofes.  Von den beiden altfranzösischen Tänzen „Menuet“ und „Passepied“ konnte das Menuett auch in der späteren Instrumentalmusik einen prominenten Platz einnehmen. Doch auch der erste Satz, das „Prélude“, zeigt deutliche Anknüpfungspunkte an den Barock. Ganz im Sinne einer Eröffnung beginnt das „Prélude“ mit einem ausladenden Motiv und viel Legato – im Gegensatz zu den beiden Tanzsätzen, die einen leichtfüßigeren Charakter und ein zügigeres Tempo aufweisen. Dabei verschmolz Debussy typische barocke Musikelemente mit seiner eigenen, impressionistischen Harmonik. Polyphone Stimmführung, die Verwendung von Kirchentonarten und verspielte Verzierungen treffen hierbei auf neue harmonische Ideen. Und so bestimmt die Suite ein grundlegender tänzerischer Charakter, der mit farbkräftiger, eleganter Harmonik angereichert ist.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Klaviersuite mit ihrem farbenreichen Charakter vielmals orchestriert wurde. Eine Orchestration von Debussy selbst gibt es zwar nicht, dennoch regte das Werk bereits seine Zeitgenossen zu Arrangements an.

André Caplet, der selbst ein guter Freund Debussys war und zahlreiche Klavierwerke seines Freundes orchestrierte, arrangierte eine Orchesterversion der kompletten Suite bergamasque. Dirigent Leopold Stokowski schuf eine Orchesterversion des „Clair de Lune“, die in Walt Disneys „Fantasia“ Verwendung finden sollte, schließlich allerdings dem Schnitt zum Opfer fiel.

Das verträumte erste Thema übernehmen in Stokowskis Version die Flöten, die schließlich an die Violinen übergeben. Der mystische Charakter der Klavierversion verliert zwar etwas an Intimität, dennoch zeichnet sich die Orchesterversion durch eine raffinierte und vielfältige Orchestration aus, die dem Werk einen sehr schwelgerischen Charakter verleiht.

Und so ist die Popularität des „Clair de Lune“ bis heute ungebrochen und hat auch in der Popkultur Einzug gehalten. Die schwebende Romantik und der melancholische Charakter des „Clair de Lune“ finden sich in Filmmusiken zu Hollywood Blockbustern und Videospielen wieder und somit hat sich das fast vergessene Meisterwerk zum unvergesslichen Evergreen entwickelt.