Zwar hatte ich erst geplant, nun die weitaus bekannte Soprankantate Mein Herze schwimmt im Blut, BWV199, an der Reihe ihrer Vorstellung für diesen Monat sein zu lassen, doch schien mir letztlich im Festjahr Bachs Ernennung zum Leipziger Thomaskantor vor 300 Jahren anderes passender.
Nicht an den damit verbundenen Umstand der Ratswahl als Entscheidungsgremium – was sich freilich ebenfalls aufdrängte, doch zu späterem Zeitpunkt aufgrund so vieler Kantaten nochmals aufgegriffen wird – zu erinnern, sondern die neben aller Figuralmusik, Unterrichtung und Kaffeehauskonzerttätigkeit auch von Bach „nebenher“ verantwortete, das Gehalt aufbessernde (fast an Telemanns Spitzenposition heranreichende) Feierkompositionsarbeit zu anderen besonderen Anlässen mit noch größerer, größter Besetzung ins Gedächtnis zu rufen. Und sich damit die Bandbreite und den Arbeitsumfang vor Augen zu führen, der Bach wiederum nötigte, nahezu eins zu eins vom Copy & Paste vorheriger eigener Einfälle Gebrauch zu machen, sowie damit gleichzeitig festzuhalten, was eigentlich zuerst kam, wie pragmatisch Bach war, wie er Wirken und Obrigkeit einschätzte und wieviel heute verschollen ist, das „rekonstruiert“ werden muss.
Im August ist ein solcher Anlass mit dem Namen identisch, sprich Namenstag für jene Augusts, so dass ich Ihnen eine, mit Hörbeispielen und tatsächlich zwei Kantaten vorstelle, bei denen man neugierig fragen kann, wie sich wohl der jeweils eine von Bachs Musik Bedachte gefühlt haben muss, als er merkte, dass der große Leipziger Stadtmusicus bei BWV205 eben zwei Mal diegleichen Noten verwendete, wenngleich sie sich durch nur drei leicht unterschiedliche Rezitative und beim Parodieverfahren selbstredend den grundsätzlich geänderten Text voneinander abgrenzen. Das erste Mal für den höchst beliebten Professor August Friedrich Müller, dem Bach mit seinem geschätzten Dichter Picander – seineszeichen Weininspektor – ein grandioses Geburtstagsdrama mit dem Titel Der zufriedengestellte Aeolus, dann klassisch benannt nach dem Eröffnungschor Zerreißet, zersprenget, zertrümmert die Gruft, zur Serenade am 3. August 1725 schrieb. Das zweite Mal für den Höchsten im Staate, den Kufürsten Friedrich August II., allerdings nicht zur Namensfeier wie später, sondern einständig zur nach Amtsgeschäftsübernahme in Sachsen erfolgten Personalunions-Krönung zum König von Polen als August III. am 17. Januar 1734 in Krakau, respektive dem „heimischen“ Nachhol-Festtag am 19. Februar. Sie trägt den Titel Blast Lärmen, ihr Feinde! Verstärket die Macht!.
Während die letztgenannte Lobeskantate verständlicherweise mehr oder weniger banal auf die realpolitischen, jedenfalls geforderten Zusammenhänge in Person des Herrschers und untertänigen Huldigungserfordernisse zum Anlass rekurriert, stellt das Original – typisch für Bachs Gelegenheitsmusiken – eine mythologisch ausgedachte Szenerie zur ehrenden Belustigung des Jubilars dar. So soll Pallas Athene eine Geburtstagsparty schmeißen, der der miesepetrige, Spaßverderber Äolus mit stattdessen eigener bas(s)aler Schadenfreude an tornadozerstörerischen Windböen verhindern möchte. Sie und ihre Mitorganisatoren und -Streiter, das sind Pomono (Göttin der Obsternte) und Zephyrus (Gott des angenehm milden Lüftchens), versuchen sich mit gesanglich-argumentativen Beschwichtigungen, Äolus über den Verlauf der Kantate in ihren jeweiligen Arienbeiträgen umzustimmen. Es gelingt schließlich mit dem Verweis auf die zu ehrende Person, eben Prof. August Müller, für dessen Fest der böse Windgott dann seine entfachten Winde (das Tutti-Orchester) wieder einfangen muss. Somit kann die Gesellschaft am Ende ihr Glas für das Geburtstagskind erheben; mit einem traditionellen dreifachen „Vivat“. Auf August, einen König der Leipziger Studenten, später dem richtigen Royal – und hiermit auf Picander und Bach!