Was man nicht haben kann, begehrt man stets am meisten. Mit viel Humor und Liebe zum Detail lässt Dieter Dorn Figaro und die gesamte Bewohnerschaft des gräflichen Schlosses einen „tollen Tag“ durchlaufen.
Der Graf, der die Braut seines Dieners begehrt. Der Page, dem sein Begehren zum Verhängnis wird. Ein buntes Verwirrspiel muss Figaro über sich ergehen lassen, bis er seine Susanna endlich zur Frau nehmen kann. Dabei lässt sich schon einmal der Überblick verlieren, wer hier gegen wen intrigiert. Doch in Dieter Dorns Inszenierung sorgt genau dieses Chaos für ein flottes Tempo, das dem Publikum einen Slapstick-Moment nach dem anderen beschert. Viel Situationskomik und das hervorragende Spiel der Sänger sorgen immer wieder für lautes Lachen im Publikum. Der Fokus der Inszenierung liegt eindeutig auf diesen Momenten und wird besonders durch Jürgen Roses sehr dezentes, aber dennoch aussagekräftiges Bühnenbild unterstützt. Ein großer, hell ausgeleuchteter Raum mit hohen Türen und weißen Wänden stellt die Protagonisten und die sehr detailreichen, historischen Kostüme in den Mittelpunkt des Geschehens.
Durch diesen bunten Abend wurden die Sänger und das Bayerische Staatsorchester von Dan Ettinger dirigiert. Anfangs leider mit ein wenig zu viel Enthusiasmus seitens des Orchesters. Die starke Dominanz der Bläser ließ die Sänger im ersten Teil an gewissen Stellen untergehen, ab dem dritten Akt schienen Dirigent, Orchester und Sänger dann jedoch wieder eingespielter.
Die Sänger konnte man an diesem Abend getrost auch als vollwertige Schauspieler bezeichnen. Dass Erwin Schrott (Figaro) durchaus hohes komödiantisches Talent besitzt, ist nicht unbekannt, und auch in dieser Inszenierung konnte er sich voll und ganz ausleben. Sein stimmliches Talent musste darunter jedoch nicht im geringsten Leiden. Vor allem in den tieferen Lagen bewies der Bassbariton starke Präsenz und glänzt besonders in den großen Arien wie „Non più andrai“ mit virtuoser Lockerheit. An seiner Seite zeichnete Hanna-Elisabeth Müller mit ihrem klaren Sopran und viel Stärke in den hohen Partien das Bild einer gewitzten und schlauen Susanna. Auch wenn er stimmlich absolut überzeugte, so war es an diesem Abend besonders sein schauspielerisches Talent, das Gerald Finley als Grafen Almaviva in den Vordergrund stellte. Mit großartiger Mimik und viel Körpereinsatz versah er die Rolle des Grafen mit einer perfekten Mischung aus Bosheit und Komik.
Auch wenn man an diesem Abend alle Sänger eine großartige Stimmleistung zeigten, so muss man doch Véronique Gens (Gräfin) besonders hervor heben. Hätte der Zuschauer vor der Vorstellung nicht die Information erhalten, dass die Sopranistin das wechselhafte Wetter der letzten Tage nicht ganz unbeschadet überstanden habe, man hätte es ihr nicht im Geringsten angemerkt. Voller Leichtigkeit und großer Flexibilität stieg sie gleich in die erste Arie ein und sorgte damit für Szenenapplaus. Als komisches Trio mit perfekt aufeinander abgestimmten Bewegungen umrahmten Heike Grötzinger (Marcellina), Umberto Chiummo (Bartolo) und Kevin Conners (als stotternder Don Curzio) die Handlung, und Kate Lindsey glänzte mit durchgehender Beständigkeit und Sicherheit in allen Lagen als Cherubino.
Wolfgang Amadeus Mozart hat mit seinem Figaro eine opera buffa komponiert, die seiner Zeit einen wahres Figaro-Fieber in Wien und Prag auslöste. Wenn man dieser Vorstellung beigewohnt hat, kann man diese Begeisterung eindeutig nachempfinden. Der Figaro ist eine Oper, die Spaß macht. Dem Publikum sowie den Sängern war dies auch hier in München anzumerken. Dem Titel „Der tolle Tag oder die Hochzeit des Figaro“ muss man nach dieser Vorstellung eigentlich auch noch den „tollen Abend“ hinzufügen.