Die Entstehungsgeschichten der meisten Schostakowitsch-Symphonien lesen sich wie wahre Polit-Krimis. Bei seiner Symphonie Nr.13 trieb es die Sowjetführung zwar bis zum Äußersten, konnte die Aufführung allerdings nicht verhindern. Obwohl die Symphonie nach ihrem ersten Satz „Babi Jar “ benannt wurde und ein eindeutiges Statement gegen den Antisemitismus in der ehemaligen Sowjetunion war, bietet die gesamte Symphonie einen Einblick in das Leben und die Stimmung der Russen.
Trotz ihres sehr düsteren Beginns, dem Mahnmal an das Massaker der Wehrmacht in Babij Jar, gelang Dirigent Michael Sanderling eine Interpretation, die der Vielfältigkeit der Komposition gerecht wurde. In seiner Symphonie setzt Schostakowitsch verschiedene Gedichte von Jewgeni Jewtuschenko in Klangbilder um und dank Sanderling kamen trotz der überwiegend düsteren Stimmung die Farben sehr differenziert zur Geltung. Und so klangen die Münchner Philharmoniker mal erdig oder ruppig im grotesken zweiten Satz oder elegant kammermusikalisch im letzten. Den dritten Satz „Im Laden“ entwickelte Sanderling sehr ruhig und überlegt. Hier wirkte die Interpretation der Philharmoniker besonders intensiv und plastisch.
Der Männerchor des Philharmonischen Chores München begleitete die Philharmoniker dabei mit einem sehr runden und kompakten Klang, dem in der Tiefe zwar etwas die Schärfe fehlte, jedoch fesselten die Sänger mit beeindruckenden dynamischen Variationen und einer ausdrucksstarken Ausdeutung des Textes.
Matthias Goerne, der das Basssolo übernahm, gestaltete seinen Part mit einer gewissen lyrischen Eleganz, die sich sehr gut in die farbenreiche Interpretation der Philharmoniker einfügte. Goernes Bariton wirkte samtig, allerdings mit einem markigen Kern, der besonders in den expressiven Passagen gut trug.
Den zweiten Teil des Programms markierten Beethovens Coriolan-Ouvertüre sowie die 1808 entstandene Fantasie für Klavier, Chor, und Orchester. Allerdings wirkte besonders die Ouvertüre nach der emotional aufwühlenden 13. Symphonie Schostakowitschs leider mehr wie ein Lückenfüller. Hatten die Philharmoniker in der Symphonie noch sehr transparent und detailliert musiziert, wirkte die Coriolan-Ouvertüre nicht wirklich spritzig oder innovativ. Sanderling setzte allerdings die Dramaturgie der Ouvertüre mit viel Dramatik um und ließ diese nahtlos in die Anfangsakkorde der Chorfantasie übergehen.
Herbert Schuch übernahm hierbei den Solopart des Klaviers und begann die Chorfantasie mit viel expressivem Effet aber auch einigen kleinen Unkonzentriertheiten bei den Akkordgriffen, die er schnell unter Kontrolle brachte. Seine Interpretation war sicherlich eigenwillig, aber äußerst spannend, denn sie sprühte vor Witz und Spielfreude. Schuch nahm seine Triller bis ins feinste, fast kaum hörbare Piano zurück, um sie schließlich wieder zu vollem Klang anschwellen zu lassen und in perlige Läufe zu verwandeln. Im Zusammenspiel mit den Philharmonikern entwickelte sich schnell die Spritzigkeit, die man in der Ouvertüre noch etwas vermisst hatte. Der Philharmonische Chor, der nun in voller Besetzung und kleiner Solistengruppe agierte, überzeugte auch in der Chorfantasie mit genauer Phrasierung und einer ordentlichen Portion feierlicher Emotion.
Michael Sanderling bewies sich in seinem Gastspiel bei den Münchner Philharmonikern besonders im Schostakowitsch als akribischer Klangmaler, der sehr genau um die Effekte der Symphonie wusste, sodass diese einige Zeit nachwirkte. Leider ließ genau dies die Beethoven-Werke in der zweiten Hälfte etwas oberflächlich wirken – eine Tatsache, die wirklich bedauernswert ist, da dies sicherlich nicht an der engagierten Interpretation der Musiker lag.