Die Bayerische Staatsoper bietet dem Publikum zu den diesjährigen Münchner Opernfestspielen wahrlich erstaunliches. Während im Prinzregententheater Monteverdis betagtes Stück L’Orfeo läuft, wagt die Staatsoper im Haus der Kunst eine Uraufführung. Alter Stoff, neue Musik, frische Inszenierung und was für eine Örtlichkeit –Francesca da Rimini präsentiert sich vielseitig und bestimmt nicht langweilig.
Hinter dem Stück steht Anna-Sophie Mahler. Dantes Erzählung wird aufgegriffen, aber keineswegs kanonisch umgesetzt. Das erfreut, denn Opern und symphonische Werke zu diesem Thema gibt es mehr als zwei Dutzend und Mahler will offensichtlich nicht langweilen. Was dabei herausgekommen ist, zeigt sich tiefgründig, aber gewiss nicht als Inszenierung aus dem Elfenbeinturm. Im Gegenteil! Mahler kocht den fatalen Konflikt zwischen Francesca da Rimini, dem geliebten Paolo und der Zwangsehe mit Giovanni auf nur eine Frage ein: „Gibt es auch bei dir einen Moment, in dem du einen einzigen Augenblick genießt und dabei die fatalen Konsequenzen vergisst?“
Um Antworten zu finden, ging Anna-Sophie Mahler ins Frauengefängnis in München. Drei Schauspielerinnen stehen alsbald auf der Bühne (Duri Bischoff) und lesen die transkribierten Gespräche im authentischen Tonfall vor. Die Szenerie erinnert dabei an einen Gefängnistrakt, in den das Publikum über große Fenster voyeuristische Einblicke erhält – authentisch genug, um verstanden zu werden, aber nicht realistisch genug, um plump zu wirken.
So bleibt auch die Befürchtung, dass die Charakterisierungen in die Populärkultur abgleiten (man denke nur an einschlägige Fernsehserien), oder zu sehr an eine Sexismus-Debatte erinnern, unbegründet. Nein, getroffen wird hier tatsächlich Francesca da Riminis Konflikt im Kern. Illustriert werden drei fast belanglose Frauen, die ebenfalls die Konsequenzen für Ihr Handeln büßen müssen. Freilich nicht im zweiten Kreis der Hölle, doch an Parallelen hapert es ebenfalls nicht: „Einer wurde sogar in den Bademantel gekackt,“ informiert Vivien Mahler als Schauspielerin II laut lachend das Publikum.
Begleitet werden diese Monologe durch eine Neukomposition von Stefan Wirth. Zum Vorbild nahm er sich Franz Liszts Symphonie nach Dantes Divina Commedia. Aus der ohnehin schon sperrigen Musik schuf Wirth etwas noch Unbequemeres, doch bleibt seine Komposition durch die fortschreitende Melodie noch greifbar. Nur zwei Klaviere stehen auf der Bühne; an einem sitzt Wirth selbst. Der Komponist tritt energisch, ja fast schon manisch in Pedale und Tasten und zieht das Publikum mit in den Höllenschuld von Dantes italienischem Klassiker.