Die große Liebe scheint es nicht zu sein. Für 300 Gulden verkauft Jeník seine Mařenka über einen Heiratsvermittler; doch tut er das unter einer Bedingung: Die Dorfschönheit darf nur einen Sohn des Mícha – Vašek? – heiraten. Zwei Akte später stellt sich jedoch heraus, dass auch Jeník selbst ein Sohn von Mícha aus erster Ehe ist und so gibt es ein Happy End. So simpel die Handlung von Bedřich Smetanas komischer Oper ist, so sehr werden sich wohl die Geister an Dirk Schmedings neuer Inszenierung der Verkauften Braut an der Wiener Staatsoper scheiden.

Früher Morgennebel wabert über die Bühne und aus dem Dunst tritt ein abgehalfterter Ticketschalter hervor. „Love Rodeo“ prangt in flackernder Leuchtschrift über dem gläsernen Häuschen, wo Mařenka im feschen Overall noch schnell ein paar defekte Glühbirnen tauschen muss, bevor am Nachmittag die große Show beginnt. Statt im böhmischen Dorfidyll steigt die Handlung direkt im Wurstelprater ein.
Im ungeschönten Kleinkosmos der Schausteller entfaltet sich so in neuer deutschen Textfassung das beschwingte Heiratsdrama. Über drei Jahrzehnte stand dieses Meisterwerk nicht mehr auf dem Spielplan im Haus am Ring und Schmeding schien sichtlich bemüht, die komische Oper ins 21. Jahrhundert zu holen. Die Artistik-Truppe Ape Connection liefert dazu den passenden Klamauk – Rückwärtssaltos und Cancan inklusive. Trotz eines sexy Rodeowettbewerbes, Feuerwerk und eingeölter Muskelprotze wirkt die Bühne von Robert Schweer dennoch recht eindimensional. 90 Prozent der Handlung spielt direkt auf der Rampe.
Den Sängern kommt das freilich entgegen. Den Sieg über die Liebe stets vor Augen, und dennoch nicht ohne Augenzwinkern, kann Pavol Breslik als Jeník insbesondere durch sein engagiertes Schauspiel überzeugen. Gerade in den Duetten mit Slávka Zámečníková als Mařenka knistert es hörbar, auch wenn sein souveräner Tenor vielleicht nicht immer bis zum letzten Rang reicht und in den Mittellagen etwas Substanz vermissen lässt.
Zámečníková selbst ist der eigentliche Star des Abends. Die Slowakin mag an ihre Rolle vielleicht etwas analytischer und kühler herangehen, als man das von manch anderen Interpretinnen gewöhnt sein mag, aber das tut der jugendlichen Strahlkraft ihrer Stimme keinen Abbruch. Bei ihr ist Mařenka nicht mehr nur Spielball der Lust, sondern stimmlich durchaus kämpferisch, stets kontrolliert und ein Stück weit selbstbestimmt.
Im markanten Gegensatz dazu stottert Michael Laurzen als Muttersöhnchen Vašek herrlich durch das Libretto, während Bass Peter Kellner als Heiratsvermittler Kecal noch reichlich Luft nach oben, oder vielmehr unten, gehabt hätte.
Untermalt wird der Sinnesreigen gar vorzüglich vom Orchester der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Tomáš Hanus. Schon ab dem ersten Takt lässt der Musikdirektor der Welsh National Opera den Graben im furiosem Tempo durch die Partitur fahren. Das glänzt und glitzert, als nähmen die Fahrgeschäfte auf der Bühne bereits zum großen Überschlag Anlauf. Doch Hanus prescht nicht im Einheitstempo durch die Partitur. Manchmal tönt das Staatsoperorchester etwas kühl, fast leise und getragen, doch gibt dies den Duetten auch den nötigen Raum und nimmt gleichzeitig dem Stück etwas vom bukolischen Pathos.
Am Ende der Vorstellung geht man dennoch mit gemischten Gefühlen die Feststiege herab. Einerseits gelingt es Schmeding auf fast unheimliche Weise, das Libretto aus dem 19. Jahrhundert mit dem Hier und Jetzt zu verschmelzen. Gleichzeitig führt er das Werk damit in die Belanglosigkeit. Aus dem im Libretto vorgesehenen Kontrast zwischen Dorf und Zirkus wird ein zotiger Einheitsbrei. Und wenn sich dann etwa im Furiant eine Horde voller tanzender Teletubby-Bären auf die Bühne drängt, bleibt die Frage nach dem „Warum?“. Wahrscheinlich ist es eine Anspielung auf die Tatsache, dass Vašek in einer der letzten Szenen, Esmeralda zuliebe, ins Tanzbärenkostüm steigt, aber der tiefere Sinn verpufft genauso schnell wie der wiederholte Einsatz von Pyrotechnik auf der Bühne. Zurück bleibt nur der drückende Gestank nach Schwefel.
Nun ist Die verkaufte Braut nicht der Parsifal, doch wenn die Akrobaten am Ende den größten Zwischenapplaus bekommen, dann ist es wirklich nur viel Zirkus um nichts. Erst jüngst wurde bekannt gegeben, dass am Wiener Wurstelprater eine Achterbahn abgerissen werden soll, um ab 2027 Platz für eine neue Musicalbühne zu schaffen. Wer einen bunten Abend mit gelungenen Akrobatikeinlagen sowie eine stimmige aber nicht tiefgründige Inszenierung sucht, wird an der Wiener Staatsoper auch jetzt schon gut unterhalten.