Die Osterresidenz der Berliner Philharmoniker in Baden-Baden lockt seit 2013, damals noch unter der musikalischen Leitung von Sir Simon Rattle, nun mit Kirill Petrenko, alljährlich ein internationales Publikum in die Kurstadt. Dieses Jahr ist dabei ein besonderes, da es die letzten Auftritte dieses Spitzenorchesters zu den Osterfestspielen in Baden-Baden sein werden. Zukünftig werden die Berliner Philharmoniker zu ihrer ursprünglichen Osterspielstätte nach Salzburg zurückkehren.

Klaus Mäkelä © Monika Rittershaus
Klaus Mäkelä
© Monika Rittershaus

Das Konzertprogramm des Abends bestehend aus zwei Werken des frühen 20. Jahrhunderts, Sergej Rachmaninows Drittes Klavierkonzert und Richard Strauss‘ Alpensinfonie, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie bildeten ein Spannungsfeld, das Klaus Mäkelä als Gastdirigent der Berliner Philharmoniker interpretatorisch congenial zu verbinden wusste. Der 29-jährige finnische Dirigent, dessen Karriere so manchen seiner älteren Kolleg*innen in den Schatten stellt, vermochte die diesjährigen Festspiele als Trockenübung für die kommenden Jahre anzusehen. Mit Abzug der Berliner wird er als Chefdirigent des niederländischen Royal Concertgebouw Orchestra, ein ebenso renommierter Klangkörper, die musikalischen Geschicke im österlichen Baden-Baden lenken.

Für den ersten Teil des Abends stand ihm als Solist kein geringerer als Leif Ove Andsnes zur Seite, der Rachmaninows Drittes Klavierkonzert in den vergangenen drei Jahren wahrlich zu seinem Paradestück erhoben hat, denn kein anderes Werk hat Andsnes derart häufig aufgeführt. Mäkelä, sich dessen bewusst, gab Andsnes und seinem Solopart den ihnen gebührenden Raum und nahm das Orchester bewusst zurück, um die unnachahmliche Virtuosität von Andsnes' Klavierspiel wirken zu lassen. Andsnes' Interpretation war weniger durch große Effekte gekennzeichnet, sondern bestach vielmehr durch seine große Klarheit und einem beträchtlichem Reichtum an Klangfarben. Während der norwegische Pianist demutsvoll unscheinbar, dennoch unglaublich brillant, seine Finger über die Tasten schweben ließ, sorgte Mäkelä mit dem makellosen Spiel der Berliner Philharmoniker für die zugrundeliegende Leidenschaft und Emotionen. Besonders die ins Fortissimo anschwellenden Streicherläufe und die präzisen, effektvollen Einsätze der Blechbläser versetzten seiner Interpretation nachhallende Akzente.

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Leif Ove Andsnes
© Monika Rittershaus

Diese anfängliche Zurückhaltung streifte Mäkelä bei Strauss' Alpensinfonie komplett ab und erhob die sinfonische Dichtung ab dem sphärischen, die Szenerie einleitenden Sonnenaufgang hin zu einem imposanten Monumentalwerk. Mäkelä ging aufs Ganze und verlor sich nicht in klanglich pseudo-philosophischer Nietzsche-Ästhetik, einer von Strauss der Tondichtung zugrundeliegender Philosophie. Vielmehr changierte der Dirigent gekonnt zwischen kammermusikalischer Virtuosität und zügellosen Ausbrüchen um das funkelnde Orchester wie ein Juwel in all seinen Facetten zu zeigen. Manches entstand dabei gar aus dem Affekt, gleich einer Empfindung des Dirigenten heraus und wirkte so überaus spontan. Gerade damit bewies Mäkelä seine Stärke, denn besonders diesem symphonischen Spätwerk von Strauss kann ein Dirigent nur gerecht werden, wenn er dieses einmal komplett auseinandernimmt und das Publikum bewusst auch mal mit emotionaler Feinfühligkeit und fein dosiertem, aber wirksamen Klangexplosion überschüttet.

Diesem Abend wohnten Abschiede aber auch viel Neues inne. Nach eigenen Angaben möchte sich Andsnes zukünftig anderen Werken widmen, sodass dies vorerst das letzte Mal war, dass er Rachmaninows Ddrittes Klavierkonzert gespielt hat. Und auch die Berliner Philharmoniker verlassen die Festspielstadt Baden-Baden. Für Klaus Mäkelä beginnt die Zeit in Baden-Baden erst – er gab bereits einen beeindruckenden Vorgeschmack, auf die musikalischen Sternstunden, welche das Publikum ab dem kommenden Jahr erwarten darf.

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