Bei so vielen prächtigen Konzertsälen, Opernhäusern, Theatern, Palästen und Schlössern, die in Wien Veranstaltungen organisieren, übersieht man das Arnold Schönberg Center leicht. Nur einen Katzensprung vom Konzerthaus entfernt, gleich beim Schwarzenbergplatz, ist das ernste Gebäude Ort einer zahlreicher Vorträge, Symposien, Ausstellungen und Konzerte, und es veröffentlicht und beherbergt zudem das umfassende Schönberg-Archiv. Da seine primäre Funktion die der Bildung ist, sind die Konzerte oft mit Vorträgen verbunden, und der Konzertsaal und die übrigen Räume erwecken den Eindruck eines sehr modernen, gut finanzierten Hochschul-Instituts. Die Akustik ist perfekt, der Raum in Dreiecks-Form ausgerichtet, um verschiedene und vielfältige Blickwinkel auf die Interpreten zu geben. Man kann ausführliche Programmhefte studieren, die Kartenpreise sind außerordentlich angemessen, und in der Pause gibt es gekühltes Wasser. Es ist ein Treffpunkt für Musiker, Akademiker und gut informierte Konzertbesucher und hat dank dem stets hohen Niveau der Veranstaltungen ein beträchtliches und beständiges Publikum gewonnen.

Der Mittwoch Abend machte da keine Ausnahme. In einem Programm mit Kammermusik von Ligeti, Till Alexander Körber und Brahms sowie Schönberg gaben Musiker des Merlin Ensembles – Violinist und Leiter Martin Walch, Komponist und Pianist Till Alexander Körber, Hornist Hubert Renner, Bratschistin Claudia Hofert und Cellist Luis Zorita – starke, leidenschaftliche Interpretationen von unglaublich schweren, ungestümen Kammerkompositionen und führten das Publikum mit Intelligenz und Charme durch das Programm.

Schönbergs Fantasie für Violine mit Klavierbegleitung Op. 47 eröffnete den Abend, gefolgt von seinen Drei Klavierstücken. Die Fantasie, eine späte Komposition aus dem Jahre 1949, ist geprägt von ihrer zwölftönigen Musiksprache, großen Sprüngen und einer Fragmentierung von melodischen Motiven; wie durch ein Kaleidoskop erkennt man Schnipsel von dekonstruierten Walzer-Themen. Die Drei Klavierstücke, jugendliche Werke des damals 21-jährigen Brahms-Schülers, könnten in Klang und Stil davon nicht weiter entfernt sein. Das Andantino, tonal und melodisch, könnte man leicht mit einem Brahms'schen Intermezzo verwechseln, und das abschließende Presto klingt nahezu Joplinesk mit seinem virtuosen, wilden Tanz, und ist ein deutlicher Vorbote der Brettl-Lieder, einer Reihe von Kabarettliedern, die er nur sieben Jahre später komponierte.

Vor Ligetis Horntrio wiesen Walch, Körber und Renner auf einigeThemen hin, auf die man beim Hören achten sollte, eine kleine Geste, die sehr wenig Zeit in Anspruch nimmt, für das interessierte Publikum aber ein großer Gewinn ist. Das für seine vielen technischen Hürden bekannte Trio ist eine erstaunliche Kreation, von seinem melancholischen, breit instrumentierten Andantino con tenerezza über ein Vivacissimo molto ritmico, das der Pianist nur mit Karpaltunnelsyndrom in der linken Hand beenden kann. Das folgende rabiate, rhythmisch unmögliche alla marcia löst sich in ein gespenstisches lamento, verdichtet sich dann erneut bis ins Äußerste der Bandbreite.

Nach der Pause kamen wir in den Genuss von Till Alexander Körbers Zweitem Gesang der Frühe für Violine, Horn und Klavier aus dem Jahre 2009, in dem der Dirigent sowohl Klavier spielte als auch gelegentlich von dort aus dirigierte. Das kurze, zweisätzige Stück beginnt mit einem majestätischen Hornruf, der den Ruf des Schofars nachahmt und durchweg mit der Resonanz zwischen Instrumenten spielt – Tonhöhen werden verändert, Resonanzen des Horns werden von der Violine aufgegriffen, im Dämpfer des Klaviers gehört und durch Verdoppelungen und Wiederholungen in und zwischen den Instrumenten erforscht.

Brahms' Klavierquartett in g-Moll Op. 25, das erste seiner drei Meisterwerke für diese Besetzung – und eines, das Schönberg selbst später orchestrierte – schloss das Konzert ab. Das Quartett wird nicht besonders oft gespielt, trotz seiner Fülle an wunderschönen Themen und dem grandiosen Zigeuner-Rondo, das das technische Können eines jeden Instrumentalisten bis aufs Letzte fordert. Ich habe zwar sicherlich schon sauberere Interpretationen des Stückes gehört, doch Walch, Körber, Hofert und Zorita spielten mit viel Energie und außergewöhnlichem Können und wurden dafür von ihrem anspruchsvollen Publikum reich belohnt. 

Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck.

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