Arnold Schönberg, der am 13. September 1874 in der Wiener Leopoldstadt geboren wurde, litt unter Triskaidekaphobie – der lähmenden Angst vor der Zahl 13, einem Aberglauben, der ihn einen Großteil seines Lebens verfolgte. Der Komponist vermied die Zahl, wann immer er konnte, und ersetzte schließlich die 13 in der Taktzählung seiner Partituren durch 12a. Er buchstabierte sogar den Titel seiner Oper Moses und Aron falsch, da die korrekte Schreibweise von Aaron 13 Buchstaben ergeben hätte.

Arnold Schönberg in seiner Wohnung, Liechtensteinstrasse 68/70, Wien, 1907 © Arnold Schönberg Center, Wien
Arnold Schönberg in seiner Wohnung, Liechtensteinstrasse 68/70, Wien, 1907
© Arnold Schönberg Center, Wien

An seinem 76. Geburtstag wurde er von dem Astrologen Oskar Adler gewarnt, dass es ein besonders gefährliches Jahr für ihn werden würde, da die beiden Ziffern seines Alters nun 13 seien. Wie das Schicksal es wollte, starb Schönberg am Freitag, dem 13. Juli 1951. Krank, ängstlich und deprimiert war Schönberg den ganzen Tag im Bett geblieben. Seine Frau Gertrud schilderte: „Gegen viertel vor zwölf schaute ich auf die Uhr und sagte mir: noch eine Viertelstunde, dann ist das Schlimmste vorbei. Dann rief mich der Arzt. Arnolds Kehle rasselte zweimal, sein Herz schlug kräftig und das war das Ende.”

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Arnold Schönberg bei der Funkstunde A G, Berlin 1926
© Arnold Schönberg Center, Wien

Schönberg bevorzugte die Zahl 12, die er mit Vollkommenheit assoziierte: 12 Monate im Jahr, 12 Stunden auf der Uhr, 12 Tierkreiszeichen und – signifikant – 12 Töne in der chromatischen Tonleiter. Schönberg war ein Revolutionär, der die üppige Romantik seiner frühen Werke zugunsten der Atonalität, der „Emanzipation der Dissonanz“, ablehnte. Er entwickelte eine Kompositionsmethode, die jedem der 12 Töne der Tonleiter die gleiche Bedeutung einräumte – die Dodekaphonie – ein Zwölfton-Serialismus, den er in seinen Werken verwendete. Als anerkannter Vertreter der Zweiten Wiener Schule wurde Schönberg für seinen neuen, umstrittenen Stil berühmt, der weder beim Publikum noch bei den Kritikern auf Gegenliebe stieß, aber seine „serielle“ Methode wurde zur Grundlage der musikalischen Moderne des 20. Jahrhunderts

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Arnold Schönberg spielt Tennis in Monte-Carlo, 1928
© Arnold Schönberg Center, Wien

Als Jude wurde Schönbergs Musik mit der Machtübernahme der Nazis verboten und als „entartet“ bezeichnet. Er trat 1933 von seinem Lehrauftrag an der Preußischen Akademie der Künste zurück und emigrierte in die Vereinigten Staaten, wo er sich in Kalifornien niederließ, und George Gershwin zu einem Freund und Tennispartner wurde. Gershwin bat Schönberg um Unterricht in Komposition. Dieser lehnte mit den Worten ab: „Ich würde nur einen schlechten Schönberg aus dir machen, und du bist doch schon ein so guter Gershwin.” Gershwin wollte nur „etwas Einfaches“ schreiben, wie ein Mozart-Streichquartett. „Ich bin kein einfacher Mann“, antwortete Schönberg.

Tatsächlich ist Schönbergs Musik nicht einfach zu verstehen, und viele Veranstalter betrachten ihn immer noch als Kassentod, aber er hat viele Fürsprecher, die bereit sind, das Publikum davon zu überzeugen, dass es wenig zu befürchten hat.

1Verklärte Nacht, Op.4

Selbst Leute, die behaupten, Schönberg nicht zu mögen, mögen Verklärte Nacht. Es ist ein intensives, leidenschaftliches Werk, das ursprünglich 1899 als Streichsextett komponiert und 1917 für Streichorchester bearbeitet wurde. Es ist programmatisch, eine Lisztsche Tondichtung als Kammermusik, die das gleichnamige Gedicht des expressionistischen Dichters Richard Dehmel vertont. Die üppigen wagnerianischen Harmonien und die erotische Natur von Dehmels Dichtung skandalisierten die Wiener Öffentlichkeit. 

Ein Mann und eine Frau gehen nachts im mondbeschienenen Wald spazieren. Die Frau gesteht, dass sie von einem anderen Mann schwanger ist. Sie sehnt sich nach Mutterschaft und hat sich mit einem Fremden versündigt. Nun ist sie voller Reue und Verzweiflung. Der Mann tröstet sie. Das Universum leuchtet hell, sagt er; ihre Liebe wird das Kind verwandeln, wie sie ihn verwandelt hat, und es wird als sein eigenes geboren werden. Die Nacht wird verklärt und sie wandern weiter durch das Mondlicht.

2Gurre-Lieder

Die Gurre-Lieder sind eine monumentale Kantate, eine Mischung aus Wagner und Mahlers Achter Symphonie, die eine epische nordische Legende von Liebe und Tod dramatisiert. Schönberg begann das Werk im Jahr 1900, vollendete es aber erst 1911. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich sein Kompositionsstil bereits deutlich in Richtung Atonalität entwickelt. Die frühen Abschnitte sind üppig, mit einer hochchromatischen Harmonik, die den Höhepunkt der Spätromantik darstellt. Das Werk erfordert eine große Besetzung: ein erweitertes Orchester, fünf Gesangssolisten, einen Erzähler und einen gewaltigen Chor.

König Waldemar schwärmt, obwohl er mit Helwig verheiratet ist, für die schöne Tove und holt sie an seinen Hof. Helwig lässt ihre Rivalin ermorden. Waldemar verflucht Gott und ist wegen seiner Gotteslästerung dazu verdammt, mit seinen Vasallen auf der Suche nach seiner verlorenen Liebe durch die Ewigkeit zu reiten.

3Pierrot lunaire, Op.21

Pierrot lunaire (Mondsüchtiger Pierrot) ist ein Melodram, das von der Schauspielerin Albertine Zehme in Auftrag gegeben wurde. Es vertont 21 Gedichte von Albert Giraud, die sie im Rahmen ihres Repertoires rezitiert hatte. Schönberg reagierte darauf mit einem atonalen Werk für ein kleines Kammerensemble und eine Rezitatorin – in der Regel eine Sopranistin –, die den Text in einer Art Sprechstimme vorträgt, einer expressionistischen Gesangstechnik, die sich an Opernrezitativen orientiert. „Ich glaube, ich nähere mich einer neuen Ausdrucksform“, schrieb Schönberg 1912. Sie erfordert die Einhaltung bestimmter Rhythmen und Tonhöhen, soll aber nach den Worten des Komponisten „nicht an Gesang erinnern“.

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Patricia Kopatchinskaja als Pierrot lunaire
© Marco Borggreve

Mit seinen stimmlichen Schlenkern und Schwüngen kann es eine harte Nuss sein, und erst als ich es von der furchtlosen Patricia Kopatchinskaja – normalerweise eher eine Geigerin als eine Sängerin – als mondsüchtiger, sitzengelassener Clown dargeboten bekam, machte es bei mir „Klick“.

4Kammersymphonie Nr. 1 E-Dur, Op.9

Die 1906 geschriebene Erste Kammersymphonie für ein reduziertes Orchester von zehn Bläsern und fünf Streichern war ein entscheidender Moment, Schönbergs Reaktion auf die „Monsterorchester“ der spätromantischen Musik. Prägnant und kompakt, besteht sie aus einem einzigen durchgehenden 20-minütigen Satz, und obwohl ihre Tonalität abenteuerlich ist, indem sie überlagerte Quarten und Ganztonleitern verwendet, gibt es dennoch erkennbare melodische Motive oder Gesten, die lose auf der Grundtonart E-Dur basieren. Es erforscht eine neue musikalische Grammatik und zeigt den Weg, den der Komponist eingeschlagen hat. 

Schönberg dirigierte es im Rahmen des berühmten „Skandalkonzerts“ von 1913, bei dem ausschließlich Werke der Zweiten Wiener Schule aufgeführt wurden.

 

5Fünf Orchesterstücke, Op.16

Schönbergs Fünf Orchesterstücke entwickelten die „totale Chromatik“ seiner Klavierstücke Op.11 weiter und waren eines der ersten großen Orchesterwerke, das die Tonalität vollständig aufgab. Die Uraufführung fand 1912 bei den Proms in London statt. Die Kritik von Ernest Newman in The Nation

„Es kommt nicht oft vor, dass ein englisches Publikum die Musik, die es nicht mag, zischt, aber ein gutes Drittel der Leute in der Queen's Hall am vergangenen Dienstag erlaubte sich diesen Luxus nach der Aufführung der Fünf Orchesterstücke von Schoenberg. Ein weiteres Drittel des Publikums zischte nur deshalb nicht, weil es lachte, und das verbleibende Drittel schien zu verwirrt, um zu lachen oder zu zischen; so dass es im Großen und Ganzen nicht so aussieht, als ob sich Schönberg in London bisher viele Freunde gemacht hätte.“

6Streichquartett Nr. 2 fis-Moll, Op.10

Wenn die Romantik in der Musik mit Beethovens Eroica- Symphonie begann, so war Schönbergs Zweites Streichquartett ihr Todesurteil. Es ist ein faszinierendes Werk, das den dramatischen Richtungswechsel des Komponisten aufzeigt. In tiefem Schmerz widmete er es seiner Frau Mathilde, allerdings zu einem Zeitpunkt, als Schönberg von ihrer Affäre mit dem Künstler Richard Gerstl (der Arnolds Porträt gemalt hatte) erfuhr. Als Schönberg Mathilde damit konfrontierte, verließ sie ihn kurzzeitig; ihre Rückkehr führte zum Suizid des verzweifelten Gerstl.

Der erste Satz beginnt eigentlich konventionell, in der Tonart fis-Moll. Im unheimlichen Scherzo schleichen sich schattenhafte Dissonanzen ein, und im dritten Satz (es-Moll) singt eine Sopranistin eine Vertonung von Stefan Georges Litanei mit Zeilen, die Schönbergs aufgewühlten Gemütszustand widerspiegeln: „Tief ist die Trauer, die mich umdüstert”. Doch im Finale betritt Schönberg eine ganz neue Welt – kühl, passiv, fast vollständig atonal – eine Vokalvertonung von Georges Gedicht Entrückung. Obwohl es keine Tonart gibt, greift Schönberg auf einen Fis-Dur-Dreiklang zurück und entwickelt Ideen aus den vorangegangenen Sätzen weiter, aber wir werden an einen völlig anderen Ort geführt, als noch 30 Minuten zuvor.

7Violinkonzert, Op.36

Das seinem Schüler Anton Webern gewidmete Violinkonzert wurde 1936 geschrieben, nachdem Schönberg nach Amerika gegangen war. Es verwendet die Zwölftontechnik und ist in seiner Form neoklassisch, aber das Solowerk hat melodische Momente und eine dunkle, tragische Eigenschaft, mit heftigen Doppel- und Dreifachstopps und Pizzicati der linken Hand. 

Das Werk wurde 1940 von Louis Krasner und dem Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Leopold Stokowski uraufgeführt. Viele der Zuhörer verließen den Saal. „Ich freue mich. ein weiteres unspielbares Stück ins Repertoire gebracht zu haben. Ich will, daß dieses Konzert schwierig ist und der kleine Finger länger wird. Ich kann warten."

8Erwartung, Op.17

Schönbergs Oper Erwartung hat die ungewöhnliche Form eines einaktigen Monodramas. Eine Frau sucht ängstlich in der Dunkelheit nach ihrem Geliebten. Sie entdeckt seinen toten Körper und ruft um Hilfe, doch sie erhält keine Antwort. Sie züchtigt ihren toten Mann und beschuldigt ihn, ihr untreu gewesen zu sein, bevor sie in die Nacht hinausgeht. „Die Absicht“, so der Komponist, “sei es, das was sich in einer Sekunde seelischer höchster Erregung abspielt, sozusagen mit der Zeitlupe auf eine halbe Stunde ausgedehnt, darzustellen.“ Das Werk ist voller schwieriger Intervalle für die Sängerin, was die Aufführung durchaus zu einer Herausforderung macht.

9Pelleas und Melisande, Op.5

Als Schönberg 1902 mit der Komposition seiner symphonischen Dichtung nach dem Theaterstück von Maurice Maeterlinck begann, wusste er nicht, dass Claude Debussys Oper bald in Paris uraufgeführt werden sollte. Wo Debussy mit Halblicht und Schatten arbeitet, stellt Schönberg zerstörerische Leidenschaften im spätromantischen Stil dar. Er zog in Erwägung, daraus eine Oper zu machen: „Meine Arbeit hätte sich von der Debussys unterschieden. Ich hätte vielleicht nicht die wundervolle Stimmung des Gedichtes wiedergeben können, aber ich hätte die Figuren meiner Oper mehr zum Singen gebracht.“ Die Premiere war kein Erfolg: „Die Kritiken waren ungewöhnlich heftig, und einer der Kritiker schlug vor, mich in eine Irrenanstalt zu stecken und Notenpapier außerhalb meiner Reichweite aufzubewahren.“

10Ein Überlebender aus Warschau, Op.46

Eines von Schönbergs späteren Werken, Ein Überlebender aus Warschau, wurde 1947 als Hommage an die Opfer des Holocaust geschrieben. Der Komponist war tief bewegt von der Geschichte einer Gruppe polnischer Juden, die das „Schema Jisroel“, ein traditionelles jüdisches Gebet, zu singen begannen, als sie in ein Vernichtungslager gebracht wurden. Der Überlebende wird aus der Sicht eines Sprechstimme-Erzählers erzählt, der für die Juden spricht, die in der Warschauer Kanalisation versteckt entdeckt wurden.


Ins Deutsche übertragen von Elisabeth Schwarz.