Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass drei herausragende Solisten auch ein ausgezeichnetes Ensemble ergeben. Lisa Batiashvili, Gautier Capuçon und Jean-Yves Thibaudet haben sich längst als Instrumentalisten ihre Plätze auf den Konzertpodien erobert. Die miteinander befreundeten Solisten erfüllen sich in dieser Spielzeit jedoch auch ihren Wunsch, gemeinsam musizierend aufzutreten, wie an diesem Abend im Pierre Boulez Saal in Berlin. Es war sehr beeindruckend, wie gut sich die drei als Klaviertrio präsentierten, zu dem sie sich für eine Reihe von Konzerten zusammengefunden haben. Drei Werke haben sie einstudiert, die nun alles andere als Repertoire-Stücke sind – wenn sich solche in dieser Gattung überhaupt finden lassen.

War das Klaviertrio von Beethoven im Grunde ein Klavierkonzert en miniature, so lassen die Komponisten im 20. Jahrhundert in ihren Trios drei gleichberechtigte Instrumentalisten miteinander agieren. Der Pianist Jean-Yves Thibaudet verfügt über einen so weichen, glanzvollen Anschlag, dass er bei aller von ihm mitunter geforderten Vehemenz die beiden Streicher niemals zudeckt.

Wohl nur wenigen Hörern im Saal dürfte Schostakowitschs Erstes Klaviertrio von 1923 bekannt sein. Diese jugendliche Hommage an eine Jugendliebe nannte der Komponist selbst ein „Poem“. Zwei kontrastierende Themenkomplexe werden in ständig neuen Brechungen einander gegenübergestellt. Der Ton dieser frühen Musik ist noch nicht ironisch-doppelbödig gebrochen wie bei späteren Werken des Komponisten. Darum ist zu loben, dass die drei Aufführenden das jugendliche Pathos dieses Frühwerks nicht unterdrückten, sondern hervorkehrten. Es gehörte schon Mut dazu, den doch bei Schostakowitsch überraschend ungebrochen pathetischen Schluss dieses einsätzigen Klaviertrios so ungestüm vorzutragen wie er komponiert wurde. Lisa Batiashvilis natürliche Spielfreude harmonierte bestens mit Thibaudets durchweg unaufdringlich kammermusikalischer Spielweise und Gautier Capuçons Part war in jedem Takt hingebungsvoll aufmerksam.

Dann folgte Ravels zu Beginn des Ersten Weltkriegs komponiertes Trio. Ravel war sich der Schwierigkeiten bewusst, die ihm die Komposition eines Klaviertrios im Hinblick auf die Herstellung des Gleichgewichts zwischen Hammer- und Saiteninstrumenten stellte. Um diesen gelungenen Ausgleich bei einer Aufführung realisieren zu können, bedarf es so ausgezeichnet aufeinander reagierende Musiker und Musikerinnen wie sie hier zusammen spielten. Bei aller Virtuosität, die ihnen Ravel abverlangte, waren sie stets auf den kammermusikalischen Geist dieses Trio bedacht und ordneten jede einzelne Stimme der Klangbalance unter. Das Werk hat aber noch andere Tücken. So steht das Hauptthema des Kopfsatzes in einem ungewöhnlichen 8/8-Takt, den Ravel 3+2+3 aufteilt, um einen 5/8-Takt heraus zu akzentuieren und das Tanzlied „Zortziko“ einzuarbeiten. Das zu gestalten erforderte von den drei Solisten die größte Geistesgegenwart in  den Nuancen und Valeurs. Im dritten Satz, Passacaille, kam dann jene Melancholie zu Gehör, die neben den raffiniert eingesetzten Masken Ravels größte Eigenart ist. Diese Darbietung ließ an Adornos Worte denken, der in dieser Melancholie die helle und gläserne, enteilende Zeit erkannte, die so gar nicht sich halten lässt. Den furiosen Schluss des Trios mit seiner regelrechten Trillerorgie der Streicher über den wild aufbrausenden Klavierkaskaden ließen den drei Musikern nach ihrer hochkonzentrierten Darbietung die Möglichkeit zu einer Feurigkeit, die ihresgleichen sucht.

Nach der Pause erklang mit Mendelssohn Bartholdys Zweitem Trio in c-Moll gleichermaßen ein weitgehend unbekanntes Werk eines sonst populären Komponisten. Im Unterschied zu den beiden anderen Trios des Abends dominiert in diesem das Klavier die beiden anderen Instrumente doch. Wenn Mendelssohn Bartholdy selbst Pianist war, an dem Schumann seinerzeit „zauberische Frische des Anschlags” und höchste Delikatesse der Nuancen rühmte, so schien Jean-Yves Thibaudet diesem Wort folgend seinen Part zu nehmen. Den ersten Satz trieben die drei Musiker und Musikerinnen mit einem drängenden Motiv voran und ließen das Seitenthema in Es-Dur dann daraus regelrecht aufblühen. Den sich daraus entfaltende Diskurs der beiden Themen führt am Ende in das Seitenthema, der wie ein schmerzlicher Abgesang intoniert wurde. Im Andante herrschte schlichter Ton vor, der aber nie ins Sentimentale umschlug. Das Scherzo wurde als Elfenspuk musiziert, der sich am Ende buchstäblich in Luft auflöste. Das Finale gestalteten die drei dann aus dem zunächst ganz verhalten vorgetragenen Tanzthema, das sie wie vom Komponisten gewünscht als Vorbereitung des feierlichen Chorals „Vor Deinen Thron tret’ ich hiermit” auffassten. Sie ließen die gesamte Entwicklung des Satzes auf die Apotheose des Chorals zielen und feierten schließlich den triumphalen Eintritt der Tonart C-Dur.

Als Zugabe wählten die drei Solisten den zweiten Satz aus Schostakowitschs Zweitem Klaviertrio e-Moll, so als wollten sie nun den Sarkasmus walten lassen, der im ersten Trio noch fehlte.

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